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Politik: Ruf nach dem alten Präsidenten

In Kirgisistan hat der Kampf um die Macht gerade erst angefangen

In Kirgisistan könnte noch viel Blut fließen. Zu diesem Fazit kommt eine Beobachterdelegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) nach einem Blitzbesuch am Wochenende. Das Machtgerangel ist noch lange nicht zu Ende, obwohl das neue Parlament Interimspräsident Kurmanbek Bakijew am Montag als Interimspräsidenten bestätigte und das alte sich auflöste.

Allerdings gilt das nur für das Unterhaus. Das Oberhaus – der Senat – dagegen wird mit keinem Wort erwähnt. Dieser hatte zunächst die Kabinettsliste der Interimsregierung von Bakijew bestätigt und dann Neuwahlen des Präsidenten für den 26. Juni anberaumt. Beides, ein Fahrplan für die Rückkehr zu legitimierten Machtstrukturen und eine Übergangsregierung aus Interessenvertretern aller politisch relevanten Gruppen, sollten zur Deeskalation beitragen.

Jetzt steht beides erneut zur Disposition: Um seine Macht auszubauen, hatte der geflohene Präsident Askar Akajew im Herbst 2003 ein Paket politischer Reformen durchgedrückt, mit dem Kirgisistan zum Ein-Kammer-Parlament zurückkehrt. Die am 14. April auslaufenden Vollmachten des Senats gehen an das neue Unterhaus über – die Zusammensetzung dieses Gremiums war unmittelbarer Auslöser der Unruhen. Bei 30 der 90 Abgeordneten müssen Gerichte noch prüfen, ob diese das Mandat wegen Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung überhaupt antreten dürfen. Mehr als die Hälfte sind Anhänger Akajews, mindestens zehn sogar Mitglieder seiner Familie. Auf ihrer Prioritätenliste steht nicht nur die Verlegung der Präsidentenwahlen, für die sich seltsamerweise auch die OSZE-Sonderbeobachter ins Zeug legten, sondern auch eine Revision der mühevoll ausgehandelten Kabinettsliste. Zudem will das neue Parlament mit Akajew in Verhandlungen treten. Mehrere Abgeordnete schlossen dessen formellen Verbleib im Amt bis zu Neuwahlen nicht aus. Wenn auch ohne reale Befugnisse.

Begründet wurde der Vorstoß damit, dass die kirgisische Verfassung nicht vorsieht, die Ämter von Präsident und Premier in einer Hand zu konzentrieren. Genau das aber ist gegenwärtig bei Bakijew der Fall und wurde bereits vom Verfassungsgericht moniert. Darauf hat am Montag der Mann hingewiesen, der zwar bisher nicht offiziell bei den Präsidentschaftswahlen kandidiert, aber dennoch als gefährlichster Gegenspieler Bakijews gilt: Felix Kulow. Er koordiniert die Tätigkeit von Polizei, Nationalgarde und Geheimdiensten und ist, weil eindeutige Befehlsstrukturen fehlen, im Ernstfall auch deren Kommandeur. Kulow, schon zu Sowjetzeiten General, war unter Akajew Vizepräsident, dann Geheimdienstchef und Innenminister. 1999 wechselte er zur Opposition, wurde 2001 wegen Korruption und Amtsmissbrauch verurteilt und gleich nach dem Umsturz am Donnerstag von den Aufständischen befreit.

Obwohl die Massen gegen die Einsetzung des neuen Parlaments protestierten, hat Kulow sich damit arrangiert. Denn dort sitzen mehr Abgeordnete aus dem Norden, wo Kulow herkommt, als im alten, mit dem es Bakijew, der Mann des Südens, hält. Wann der Zweikampf offen beginnt, ist eine reine Zeitfrage.

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