zum Hauptinhalt
steinmeier

© dpa

Ruhrgebiet-Reise: Steinmeier im Herzen der SPD

"Hier ist die Herzkammer der Sozialdemokratie": Außenminister Steinmeier lernt seine Partei besser kennen – auf einer Reise ins Ruhrgebiet.

„Hier ist die Herzkammer der Sozialdemokratie, hier bist Du am rechten Fleck“, ruft Hannelore Kraft. Es ist Samstag um die Mittagszeit, und die Chefin der nordrhein-westfälischen SPD begrüßt einen Parteifreund, den die hiesigen Genossen vor allem aus den Fernseh-Nachrichten kennen. Es ist der würdige Herr mit dem edelweißfarbenen Haarschopf, der Deutschland immer „so wunderbar in der Welt vertritt“, wie Kraft schwärmt.

Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und Vizekanzler, sitzt auf dem Podium und lächelt sein kerniges Steinmeier-Lächeln. Im Kongresszentrum von Thyssen-Krupp haben sich 170 Funktionäre der Dortmunder SPD versammelt. Sie vertreten den mit 9000 Mitgliedern größten Unterbezirk im größten Landesverband der SPD. Gleich wird Steinmeier zu ihnen sprechen, 50 Minuten lang, ohne dabei die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur auch nur ein einziges Mal zu erwähnen. Und doch wird man danach ein wenig klarer sehen, was seine Neigung angeht, anstelle von SPD-Chef Kurt Beck gegen Angela Merkel anzutreten.

Steinmeiers Rede ist der Abschluss einer zweitägigen Dienstreise ins Revier. Am Vortag hat sich der SPD-Vizevorsitzende eine Solarzellenfabrik in Gelsenkirchen zeigen lassen. Er hat außerdem ein Fanprojekt des VfL Bochum gegen Rassismus besucht, den neuen Hochofen der Stahlkocher von Thyssen-Krupp in Duisburg bestaunt und nebenbei ein paar Interviews gegeben. Darin ging es zum Beispiel um die Erfolge des Strukturwandels an der Ruhr oder um die segensreiche Wirkung des Sports für die Gesellschaft. Jetzt, vor den Genossen in Dortmund, geht es um die Zukunft der SPD.

Steinmeier hat sich gut vorbereitet auf seine Rede. Das Manuskript umfasst elf eng beschriebene Seiten, von denen er nur zwei Drittel vorträgt. Ohnehin spricht er lieber frei. Die Funktionärskonferenz steht unter dem Motto „Nah bei den Menschen“ und ist Teil einer Art Dialogoffensive der SPD-Führung. Aber Steinmeier ist keiner, der den Menschen besonders nahe kommt. Vielleicht macht gerade das seine Popularität aus: Der würdige Herr aus den Nachrichten mit seinem Silberhaar und seiner floskelhaften Diplomatensprache wahrt Distanz. Er gehört zu den Politikern, zu denen Menschen gerne aufschauen, ohne sich herabgesetzt fühlen zu müssen. Das macht ihn zu Becks gefährlichstem Konkurrenten im Kampf die Kanzlerkandidatur. Die Frage ist nur, ob Steinmeier diesen Kampf wirklich aufnehmen will. Wahrscheinlich versucht er gerade, für sich selbst die Antwort zu finden. Er sucht sie in den Führungsgremien der Partei und an ihrer Basis.

Letztlich will Steinmeier wissen, ob er mehr wäre, als der Feigenblatt-Kandidat zur Maximierung der Gewinnchancen einer nach links rückenden SPD, die mit dem Reformkurs der Schröder-Jahre innerlich gebrochen hat. Dass sein Angebot an die Partei ein anderes ist, dass er als Kandidat nur für eine SPD bereitstünde, der Chancengerechtigkeit im Zweifel wichtiger ist, als Verteilungsgerechtigkeit – davon kann man nach seiner Rede ausgehen.

Mehrmals verteidigt Steinmeier Dortmund die Agenda 2010 als notwendige Maßnahme zur Rettung der Sozialsysteme. Darauf könne die SPD, allen Opfern zum Trotz, „auch ein bisschen stolz“ sein. Nun müssten die „Hauptanstrengungen“ der SPD im Bund und in den Ländern den Investitionen in die Bildung gelten. Denn nur, wenn Kinder eine gute Ausbildung erhielten, seien in Zukunft auch die Renten noch sicher. Für den Rest der Wahlperiode verspricht Steinmeier eine kraftvolle Politik der SPD in der Regierung, die „Prägungen“ hinterlassen werde. Und dann? Ist Wahlkampf. Und den, das habe schon Gerhard Schröder immer gesagt, „können wir besser als die anderen“.

Am Ende klatschen die Genossen aus der Herzkammer der SPD. Dann steht der Dortmunder Ortsvereinsvorsitzende Hans-Eberhard Urbaniak auf und gibt dem Herrn Vizekanzler ein paar Mahnungen mit auf den Rückweg nach Berlin. Der Streit in der SPD-Führung in den vergangenen Wochen habe die Basis schwer aufgebracht. „Diese Dinge müssen abgestellt werden.“ Und dann sagt Urabaniak noch: „Macht euch mal Gedanken, wie das mit dem Kandidaten werden soll, der der Merkel gegenübergestellt wird. Das wird für die Partei ein ganz schwieriger Prozess.“ Steinmeier antwortet länglich, am Ende sagt er: „Die Erwartung an mehr Disziplin verstehe ich, akzeptiere ich und verspreche: Wir werden uns mühen.“ Zur K-Frage sagt Steinmeier auch jetzt nichts. Seine Suche nach der Antwort dauert noch an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false