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Politik: „Runter von der Couch, ran an die Arbeit“

Daniel Fried, Staatssekretär im US-Außenministerium, über die Hoffnungen auf Deutschland und Europas Beitrag zum Frieden

Neben nationalen Interessen spielen persönliche Beziehungen eine große Rolle in der internationalen Politik. Das Verhältnis von Präsident Bush und Kanzler Schröder war nicht das beste. Wird das unter Angela Merkel anders?

Moment, die beiden hatten ein sehr einvernehmliches Treffen in Mainz im Februar, und Präsident Bush hat Kanzler Schröder im Juni, mitten im deutschen Wahlkampf, im Weißen Haus empfangen. Ihm war sehr daran gelegen, die Beziehungen nicht auf den Streitpunkt Irak zu reduzieren. Anders als 2002 hat sich auch der deutsche Wahlkampf nicht um die USA als Bedrohung oder Problem gedreht.

Sie kommen am nächsten Sonntag nach Berlin. Worauf sollen sich Deutsche und Amerikaner jetzt gemeinsam konzentrieren?

Der Präsident hat auch ein sehr gutes Verhältnis zu Angela Merkel entwickelt. Die Lage ist heute eine ganz andere als während des Kalten Kriegs. Damals war Europa unsere gemeinsame Aufgabe. Heute müssen wir uns um die Herausforderungen außerhalb Europas kümmern und um die Grenzen der Freiheit an Europas Peripherie. Es geht um Frieden, Sicherheit, Wohlstand und Reformen in der ganzen Welt – von Afghanistan über Irak und Iran, Palästina und generell den Nahen Osten bis zu Chinas Aufstieg. Die deutsch-amerikanischen und die europäisch-amerikanischen Beziehungen haben einen globalen Zuschnitt bekommen. Zusammen sind wir das Zentrum der Demokratie und der Grundwerte.

Nehmen wir Irak: Worauf hoffen Sie, abgesehen von dem, was Deutschland schon heute tut?

Wir werden nicht um Truppen bitten. Es gibt etwas viel Wichtigeres: die Haltung zu Iraks Regierung. Behandelt sie nicht mit Zurückhaltung, lasst es nicht an ihr aus, dass wir 2002 und 2003 Meinungsverschiedenheiten hatten. Zeigt ihr den Respekt, den eine Regierung verdient, deren demokratische Legitimierung zu den besten in der Region gehört. Und sie wächst weiter. Die Iraker haben die Verfassung angenommen, im Dezember folgen die nächsten Wahlen. Die ausdrückliche Unterstützung der freien Welt für diese demokratische Regierung, die nicht mehr provisorisch ist, ist entscheidend. Sie braucht Hilfe, und Deutschland hat die Mittel.

Meinen Sie finanzielle Mittel?

Jede Art von Hilfe, auch Ausbildung. Am wichtigsten ist, dass Deutschland seine Unterstützung für Iraks gewählte Regierung erklärt.

In Deutschland herrscht die Überzeugung: Amerika ist dabei, den Irakkrieg zu verlieren. Die US-Truppen können nicht einmal die Sicherheit in Bagdad garantieren.

Die Deutschen werden wohl immer ihre Zweifel haben, ob Amerikaner, Briten und ihre Verbündeten richtig lagen, als die Saddam Hussein stürzten. Das ist eine ehrenvolle Haltung. Aber es ist keine Hilfe für den Irak, sich darin zu sonnen, man habe das Scheitern vorhergesagt. Die Folgen eines Scheiterns wären auch ein großer Schaden für Europa. Wir sind aber noch nicht gescheitert, und es wird auch nicht dahin kommen. Um den bestmöglichen Ausgang zu erzielen, müssen Europa und Amerika zusammenarbeiten – ohne ständig in den Rückspiegel zu schauen: auf unseren Streit in der Vergangenheit.

Die US-Medien äußern sich skeptisch über den künftigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Schröders Kanzleramtschef werde dessen Anti-Amerika-Populismus fortsetzen. Kennen Sie ihn persönlich?

Ich habe die allergrößte Zuversicht, dass wir mit der neuen Bundesregierung generell und speziell dem neuen Außenminister hervorragend zusammenarbeiten werden. Es gibt so vieles, das wir gemeinsam voranbringen können: den Balkan, die Ukraine, Weißrussland, den Kaukasus, Zentralasien, Israel und Palästina, wo Deutschland eine Schlüsselrolle für die Europäische Union spielt. Und Iran, wo Deutschland mit Briten und Franzosen die Verhandlungen um das Atomprogramm führt. Wir sollten, wie mein Boss Condoleezza Rice sagt, unsere Zeit nicht auf der Couch mit der Analyse unserer Beziehungen vertrödeln. Runter von der Couch und ran an die Arbeit! Das gilt ebenso für die Europaskeptiker in den USA wie für die Amerikaskeptiker in Europa.

Gibt es einen neuen Geist in der US-Außenpolitik? Viele US-Medien haben den Wechsel von Außenminister Colin Powell in Bushs erster Amtszeit zu Condoleezza Rice in der zweiten als neuen Realismus, neuen Pragmatismus, als Abschied von der Bush-Doktrin der militärischen Intervention beschrieben.

Oh je, das ist eine Einladung, alles Mögliche zu sagen, was ich später bereue. Condoleezza Rice ist eine außergewöhnlich mächtige Außenministerin, weil sie den tiefen Idealismus des Präsidenten mit einem taktischen Sinn für die realen Möglichkeiten verschmolzen hat. Diese Außenpolitik zeigt bereits nach wenigen Monaten Erfolge, an erster Stelle die Atmosphäre der Beziehungen zu Europa. Die müssen wir jetzt in praktische Arbeit übersetzen, in der Ukraine, auf dem Balkan, in der Nato. Kanzler Schröder hatte Recht mit der Forderung, die Allianz zum Zentrum der strategischen Debatte zu machen. Die Nato kann in Afghanistan eine größere Rolle spielen.

War es eine Hilfe, dass das so genannte Kriegskabinett aus Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney wegen seiner schlechten Bilanz an Einfluss verliert?

Sie kriegen mich nicht dazu, die Politik bei Hofe zu kommentieren. König Lear, Akt 5: Lasst uns nicht streiten, wer oben und wer unten ist. Der Präsident hat seine außenpolitische Vision erklärt: Amerika und Europa arbeiten zusammen an der „freedom agenda“ – einen Monat später ist er nach Europa gereist mit der Botschaft: Wir wollen ein starkes Europa. Es geht nicht um die Machtverteilung zwischen Weißem Haus und State Department, sondern um eine außenpolitische Vision, die amerikanischen Freiheitsidealismus mit realistischem Augenmaß, Geduld und Flexibilität verbindet. Wir sind entschlossen, mit Europa, unserem großen Partner, zu kooperieren.

Welche Personen tragen diese Außenpolitik?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. In Europa macht man sich zu viel Gedanken über die Neokonservativen. Die einflussreichste Gruppe in Rices Außenministerium sind Menschen, die die Befreiung Ostmitteleuropas vom Kommunismus 1989 persönlich erlebt haben: Bob Zoellick, Nicholas Burns, ich selbst, Chris Hill, mein für Asien zuständiger Kollege, der wie ich Botschafter in Polen war, Liz Cheney. Wir alle sind Augenzeugen von Demokratisierung – nicht als Folge von „balance of power“, sondern des idealistischen Glaubens an das Mögliche. 1989 war kein amerikanischer Triumph, sondern ein europäischer, vor allem ein Sieg französischer und deutscher Intellektueller, die gegen Ende des Kalten Kriegs von der Realpolitik zu einer Freiheitsagenda übergingen. Das ist so offensichtlich, aber kaum jemand will es zur Kenntnis nehmen. Dabei ist eine ganze Generation davon geprägt.

Und das wollen Sie jetzt auf die arabische Welt übertragen. Präsident Bush spricht von einer Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens, Joschka Fischer etwas bescheidener von Modernisierung. Es geht aber nicht so gut voran wie früher im Ostblock. Warum ist es in der muslimisch-arabischen Welt so viel schwerer?

Die politische Agenda im Nahen Osten hat sich dramatisch verändert. Alle reden über Zivilgesellschaft und Reformen. Im Libanon gibt es eine Massenbewegung pro Demokratie, in Palästina freie Wahlen, in Ägypten die erste Wahl mit Gegenkandidat, überall entstehen Bürgerbewegungen. Da tut sich viel. Allein die Frage nach den Schwierigkeiten ist ein Fortschritt. Vor ein paar Jahren sagten die meisten Europäer: Was redet ihr Amerikaner von Demokratie bei den Arabern, das ist doch unmöglich. Ist es nicht. Die demokratische Idee gehört nicht nur Europäern, Amerikanern und wenigen anderen. Demokratie ist ein universales Prinzip, sie ist auf allen Kontinenten auf dem Vormarsch. Sie wird sich nicht überall durchsetzen, aber prinzipiell kann sie sich überall durchsetzen. Wir müssen dabei helfen, so gut wir können. Joschka Fischer, der seine Probleme mit der Bush-Regierung hatte, steht hinter diesem europäisch-amerikanischen Projekt.

Wie viel Fortschritt werden wir in Bushs zweiter Amtszeit sehen, die noch drei Jahre dauert?

Vor allem werden Sie mehr Zustimmung zu Amerikas Außenpolitik in Europa sehen – und zu Europas Politik in Amerika. Der Glaube an die gemeinsame Aufgabe ist mein wichtigstes Ziel.

Das Gespräch führte Christoph von Marschall.

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