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Erst vergangene Woche war Medwedew bei Obama zu Gast.

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Update

Russisch-amerikanische Beziehungen: Kalter Krieg neu aufgewärmt

Fast wie zu Zeiten des Kalten Krieges: US-Ermittler haben ein Netz von Agenten ausgehoben, die für Russland spioniert haben sollen. Russland weist die Vorwürfe zurück.

Sie schienen ganz gewöhnliche Bürger zu sein, die seit Jahren in New York, Seattle oder Boston lebten – und sich mit Nachbarn über das Wetter, die Schulen und die Mühen der Gartenpflege unterhielten. Doch insgeheim sollen die elf Frauen und Männer, die von der US-Justiz jetzt angeklagt wurden, unter falschen Namen im Auftrag des russischen Geheimdienstes gearbeitet haben. Ihre wichtigste Aufgabe, so die Ermittler: In jene Kreise im Weißen Haus einzudringen, in denen politische Entscheidungen gefällt werden. Es handele sich bei den Festgenommen „um die Spitze eines Eisbergs“, sagte US-Staatsanwalt Michael Farbiarz.

Die Einzelheiten über den nun gesprengten Spionagering erinnern an den Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen Washington und Moskau – und wollen gar nicht zu jenem „Neustart“ der Beziehungen zwischen den Supermächten passen, den Barack Obama und sein Amtskollege Dmitri Medwedew vergangene Woche im Weißen Haus und dann auf dem G-8-Gipfel in Toronto feierten. Wie schwer die Enttarnung der mutmaßlichen Agenten das Verhältnis der beiden Staaten belasten wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Doch Details der FBI-Untersuchung und die Dechiffrierung von verschlüsselten Botschaften zeigen, dass Moskau und der russische Auslandsgeheimdienst SVR offensichtlich sehr daran interessiert waren, die tatsächlichen Ansichten und Pläne des US-Präsidenten rechtzeitig zu erfahren. Die Themenbereiche waren dabei breit gestreut – und reichten von der Iran- und Afghanistan-Politik des Weißen Hauses bis hin zu den Start-Abrüstungsverhandlungen.

So erhielten zwei Verdächtige nach Berichten von US-Medien im Frühjahr 2009 den Auftrag, einen Obama-Besuch in Moskau vorzubereiten. Sie sollten vier hohe Mitarbeiter des US-Außenministerium mit der Zielsetzung ausforschen: „Versuchen Sie ihre Ansichten zu skizzieren, vor allem Obamas Ziele für den Gipfel im Juli zu erfassen und auch die Pläne, wie Russland in eine Kooperation im Sinne der US-Interessen gelockt werden soll.“ Doch was keiner der nun angeklagten Personen wusste: Das FBI war ihnen schon lange auf den Fersen. Die Agenten nutzten offenbar auch hochmoderne Techniken wie die Steganographie, bei der Informationen in Bilder eingearbeitet werden, bevor diese im Internet veröffentlicht werden. Für das bloße Auge sind die Botschaften nicht erkennbar, nötig für die Entschlüsselung ist eine Computerprogramm. Auch dass die mutmaßlichen Spione mit unsichtbarer Tinte, gefälschten Identitäten sowie verschlüsselten Direktbotschaften zwischen Laptops arbeiteten, half ihnen am Ende nichts. Bereits im Jahr 2000 hatte das FBI eine Verdächtige gefilmt, als diese – als Reporterin für eine spanischsprachige Tageszeitung getarnt – einen russischen Offiziellen in Lateinamerika traf.

Und auch das im Bundesstaat New Jersey lebende Ehepaar Richard und Cynthia Marphy ahnte nicht, dass die Augen der US-Fahnder längst auf sie gerichtet waren. Die Kommunikation mit dem Führungsoffizier in Moskau ist Teil der Anklage und zeigt, wie sich die beiden von ganz unten hocharbeiten sollten. Über einen wohlhabenden Parteispender der Demokraten in New York sollte das Paar Obama und dessen Führungszirkel näher kommen und Details aus den täglichen Beratungen im Weißen Haus liefern. Dort hielt man sich am Dienstag bedeckt und gab keine Stellungnahme ab.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow reagierte verärgert: „Die Angelegenheit wurde uns nicht erklärt, ich hoffe, sie erklären sie uns.“ Regierungschef Wladimir Putin schimpfte bei einem Treffen mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton nahe Moskau, das FBI habe sich „gehen lassen“. „Die stecken einfach Leute ins Gefängnis.“ Das Außenministerium bestätigte, dass unter den Festgenommenen russische Staatsbürger sind. „Sie haben keine Handlungen begangen, die sich gegen die Interessen der USA richten“, hieß es auf der Internetseite. (mit AFP/dpa)

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