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Putins Partei "Einiges Russland" hat bei den Wahlen die absolute Mehrheit erlangt. Bei der letzten Wahl hatte die Partei noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit erlangt.

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Update

Russland: Absolute Mehrheit für Putin-Partei bei Parlamentswahl

Nach der Auszählung von 96 Prozent der Wahllokale kam die Putin-Partei auf 49,54 Prozent der Stimmen. Bisher hatte "Einiges Russland" in der Duma eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Kein lupenreiner Sieg für Wladimir Putin: Die Partei des russischen Regierungschefs hat die Parlamentswahl gewonnen, dabei aber deutliche Verluste erlitten. Bei der Auszählung der Stimmen der Parlamentswahl in Russland ist die Partei von Regierungschef Wladimir Putin erneut unter die Marke von 50 Prozent gefallen.

Die Kreml-Partei Einiges Russland hat bei der Parlamentswahl am Sonntag nach amtlichen Angaben trotz deutlicher Verluste die absolute Mehrheit der Sitze errungen. Wie die Wahlkommission am Montag mitteilte, entfallen auf die Partei des Ministerpräsidenten Wladimir Putin 238 der insgesamt 450 Mandate. Einiges Russland hatte bisher in der Duma, dem russischen Unterhaus, eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Kommunistische Partei belegt demnach mit 92 Sitzen den zweiten Rang, gefolgt von der Mitte-links-Partei Gerechtes Russland mit 64 Sitzen. Die ultranationalistische Liberal-demokratische Partei kommt auf 56 Abgeordnete.

Die liberale Jabloko-Partei scheiterte erneut an der Sieben-Prozent-Hürde. Einiges Russland war bei der Wahl, die den Ämtertausch zwischen Putin und Staatschef Dmitri Medwedew einleiten soll, als Favorit ins Rennen gegangen. Zwar sagten die Umfragen deutliche Verluste voraus, doch das Ausmaß der Verluste kam überraschend. Auf der Grundlage der Auszählung von 96 Prozent der Wahllokale kam die Kreml-Partei auf 49,54 Prozent der Stimmen. Bei der Wahl vor vier Jahren waren es noch 64,3 Prozent gewesen. Putin, der bereits von 2000 bis 2008 Staatschef war, will sich im März erneut zum Präsidenten wählen lassen, während Präsident Medwedew dann Regierungschef werden soll.

Die liberale Oppositionspartei Jabloko will angesichts massiver Fälschungsvorwürfe das Ergebnis der Abstimmung vom Sonntag nicht anerkennen. Auch Beobachter hatten Tausende Verstöße aufgelistet und Filmaufnahmen davon ins Internet gestellt. Die linkskonservative Partei Gerechtes Russland sprach von massiver Fälschung der Wahlprotokolle zugunsten der Putin-Partei.

„Wir werden auf die Straße gehen“, kündigte der Fraktionschef von Gerechtes Russland, Sergej Mironow, an. In Internet riefen auch von der Wahl ausgeschlossene Kremlgegner zu Straßenprotesten auf. Bei ersten Aktionen am Vorabend waren allein in Moskau mehr als 100 Menschen festgenommen worden. Auch am Montag waren nach einer bisher einmaligen Cyberattacke einige unabhängige Internetseiten blockiert.

Dagegen hatten Putin sowie Kremlchef Dmitri Medwedew das Ergebnis verteidigt. Die Resultate würden die Stimmung in der Bevölkerung widerspiegeln, hatten beide am Vorabend gesagt. In einer ersten Reaktion sagt Parteichef Putin, das Ergebnis gewährleiste die Fortsetzung der stabilen Entwicklung des Landes. Präsident und Spitzenkandidat Dmitri Medwedew wertete das Ergebnis dennoch als Erfolg. Das Resultat spiegele die Stimmung im Land wider, sagte er.

Kremlgegner kritisierten massive Wahlrechtsverletzungen. Bei Protesten der Opposition gegen die Wahl nahm die Polizei allein in Moskau und St. Petersburg fast 200 Regierungsgegner fest. Mehrere kremlkritische Internetseiten waren am Wahltag offenbar durch eine großangelegte Cyber-Attacke lahmgelegt.

Die Kommunisten kamen gegen Ende der Auszählung auf 19,15 Prozent der Stimmen, Gerechtes Russland auf 13,17 Prozent und die ultranationalistische Liberaldemokratische Partei von Wladimir Schirinowski auf 11,66 Prozent. Zur Wahl der 450 Abgeordneten für die Staatsduma waren am Sonntag rund 110 Millionen Bürger aufgerufen gewesen.

„Die Stimmung in der Gesellschaft ist umgeschlagen“, sagte der Parteichef von Gerechtes Russland, Nikolai Lewitschew. „Es ist schwieriger, der Bevölkerung ein X für ein U vorzumachen.“ Kommunistenchef Gennadi Sjuganow sagte: „Die Wahlen sind vorbei, und es hat wieder massive Verletzungen gegeben.“ Die Partei werde aber nicht zu Demonstrationen aufrufen.

Mit der weltweit beachteten Abstimmung leiteten Putin und Medwedew ihren für 2012 geplanten Ämtertausch ein. Die Wahl galt daher vor dem Hintergrund sinkender Sympathiewerte als Stimmungstest für das Machttandem. Putin, der bereits von 2000 bis 2008 Präsident war, will sich am 4. März 2012 wieder in den Kreml wählen lassen. Medwedew soll dann Regierungschef werden.

Regierungsgegner wie der nicht zur Abstimmung zugelassene Politiker Wladimir Ryschkow sprachen vorab von der „schmutzigsten Wahl“ seit dem Ende der Sowjetunion. Mehrere kremlkritische Internetseiten etwa des Radiosenders Echo Moskwy oder der einzigen unabhängigen russischen Wahlbeobachterorganisation Golos waren den gesamten Wahltag blockiert.

Das Internet galt in einem von Staatsmedien geprägten Umfeld bisher als wichtiger Raum für die Meinungsfreiheit. Viele Russen werfen der von Kritikern als „Partei der Gauner und Diebe“ bezeichneten Kremlpartei Bevormundung und Vetternwirtschaft vor und klagen über Justizwillkür sowie Schikanen.

Allein in Moskau nahm die Polizei bei Protesten mehr als 100 Oppositionelle fest. Landesweit waren 330 000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa nannte die Abstimmung undemokratisch.

Wahlkommissionschef Tschurow hatte Fälschungsvorwürfe zurückgewiesen und die Abstimmung „kristallklar und sauber“ genannt.

In dem flächenmäßig größten Land der Erde mit neun Zeitzonen waren insgesamt etwa 110 Millionen Menschen zur Wahl der 450 Abgeordneten für die Staatsduma aufgerufen. Zu der Abstimmung waren alle sieben in Russland registrierten Parteien zugelassen. Regierungsgegner, die einen Machtwechsel anstreben, hatten allerdings keine Partei-Registrierung erhalten und waren von der Wahl ausgeschlossen.

Das Parlament wird nach einer Verfassungsänderung erstmals für fünf Jahre gewählt.

Überraschend scharfe Kritik an der Führung in Moskau hatte am Vortag der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU), in einem Interview von Deutschlandradio Kultur geäußert. „Putin ist kein Demokrat“, sagte der Vize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und prangerte einen „Rückfall in sowjetische Muster“ an. Dabei kritisierte Schockenhoff vor allem das Vorgehen gegen die einzige unabhängige russische Wahlbeobachterorganisation. Die Organisation Golos war von Putin als „Judas“ bezeichnet und wegen angeblichen Verstoßes gegen das Wahlrecht zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der russische Zoll beschlagnahmte einen Computer der Golos-Chefin Lilija Schibanowa zur Auswertung.

Die deutsche Wahlbeobachterin und Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck von den Grünen sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass sie bei ihren Besuchen in Moskauer Wahllokalen einen „korrekten Prozess“ gesehen habe. Bei der späteren Beurteilung der Abstimmung seien aber andere Fragen wichtig wie die Arbeit der Staatsmedien sowie der Umgang mit der Opposition in dem Land. (AFP/dpa)

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