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© AFP

Russland: Führende Rolle rückwärts

Gorbatschow leitete Mitte der 80er den Anfang vom Ende ein. Jetzt haben Russland und die Ex-Sowjetrepubliken einen schweren Stand.

Die Macht, warnte Lenin schon vor der Oktoberrevolution 1917, sei relativ leicht zu erringen, sie auf Dauer zu behaupten dagegen schwer. Seine Enkel bewiesen es. Mehr noch: Ausgerechnet eine Gruppe von Reformern innerhalb der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), allen voran Generalsekretär Michail Gorbatschow, verzichtete auf die führende Rolle, die die Vorhut der Arbeiterklasse sich in der Stalin-Ära per Verfassung auf immer und ewig genehmigt hatte. Mit Perestroika und Glasnost legten sie Mitte der 80er Jahre die Axt an Grundfesten des Systems. Damit besiegelten sie nicht nur das Ende der Sowjetunion, sondern des gesamten Ostblocks.

Anders als dort aber haben die Kommunistischen Parteien in den fünfzehn ehemaligen Unionsrepubliken es bisher nicht geschafft, die eigene Vergangenheit kritisch zu hinterfragen oder gar aufzuarbeiten. Ähnlich schwer fällt es ihnen, sich den neuen Realitäten anzupassen und zumindest ein Stück der Macht zurückzuerobern. Einzige Ausnahmen: Moldawien, das seit Jahren von einer kommunistischen Regierung geführt wird, die gerade erst wiedergewählt wurde, und Armenien im Südkaukasus. In Eriwan waren die Präsidentschaftskandidaten der KP schon mehrfach eine ernste Bedrohung für die Amtsinhaber. Kommunisten stellen auch in der Ukraine die drittstärkste Fraktion im Parlament und können beim Machtgerangel dort zumindest als Königsmacher mitmischen.

Im Baltikum dagegen, in Georgien und Aserbaidschan haben die Spaltprodukte der KPdSU neben der Macht auch die meisten Mitglieder und Sympathisanten verloren. Das gilt auch für Zentralasien, obwohl die heutigen Herrscher, als die Sowjetunion in Agonie versank, zur KP-Führung der dortigen Republiken gehörten oder gar deren Chefs waren. 1990 zu Präsidenten gewählt, verabschiedeten sie sich in die Unabhängigkeit, ersetzten bei loyalen Gliederungen das Etikett „kommunistisch“ durch „demokratisch“ und gingen mit dem alten Unterdrückungsapparat zur Tagesordnung über. Reformkommunistische Neugründungen, wie Minderheiten sie planten, erstickten sie bereits im Keim.

Unter galoppierendem Mitgliederschwund, sinkender Zustimmung bei Wahlen und politischer Marginalisierung leidet sogar die mit Abstand größte und am besten organisierte Nachfolgerin der KPdSU: die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF). Kurzzeitig verboten nach dem missglückten August-Putsch, mit dem Altstalinisten 1991 die Perestroika rückgängig machen wollten, hatte die KPRF ab 1995 für acht Jahre die relative Mehrheit in der Duma. Ihr Obstruktionismus brachte den Kreml bei Haushaltsdebatten regelmäßig zur Verzweiflung. Im Mai 1999 brachten die Kommunisten gegen Boris Jelzin sogar ein Absetzungsverfahren auf den Weg, unterlagen aber bei der Abstimmung.

Für Nachfolger Wladimir Putin stand der Feind daher links, die KPRF war für die Kremlpartei der Hauptgegner im Wahlkampf. Bei den Parlamentswahlen im Dezember 2003 erhielten die Kommunisten prompt nur noch knapp 13 Prozent der Stimmen. Die Hauptschuld trugen allerdings die Genossen selbst. Scheinopposition bei Belanglosigkeiten, die darüber hinwegtäuschen soll, dass Russlands KP auf ähnlich neoimperialen und konservativ-klerikalen Positionen steht wie die „Partei der Macht“, sind nur die Spitze des Eisbergs. Dazu kommt, dass Parteichef Gennadi Sjuganow, der weder Charisma noch das Zeug zu einem Volkstribun hat, an seinem Sessel klebt. Gegen den ewigen Vorsitzenden haben junge Wilde keine Chance. 

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