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Russland: Im Kern gespalten

Russland bremst bei Akw-Bau im Iran – und möchte doch weitere Aufträge.

Es seien allein technische Probleme, an denen die für Jahresende geplante Inbetriebnahme des iranischen Kernkraftwerks scheitere, das Russland derzeit bei Buschehr am Persischen Golf baut. Politische Differenzen zwischen Moskau und Teheran gäbe es nicht. Experten glauben das genaue Gegenteil und sahen ihre Sicht der Dinge auch dadurch bestätigt, dass Energieminister Sergej Schmatko der Öffentlichkeit die Nachricht überbrachte. Zwar versuchte seine Sprecherin im Anschluss die Wogen zu glätten: Die Inbetriebnahme werde 2010 erfolgen. Auf die Frage nach einem konkreten Termin musste sie allerdings passen.

Dabei wollte Staatskonzern Atomstroi, der Mitte der 90er Jahre den 1975 von deutschen Firmen begonnenen Bau übernommen hatte, diesen schon 1999 ans Netz gehen lassen. Doch neben technischen und logistischen Problemen – Teheran war mit den Raten für die rund eine Milliarde US-Dollar, mit denen die Investruine mittlerweile in den Bilanzen steht, mehr als einmal im Verzug – war Irans umstrittenes Kernforschungsprogramm von Anfang an der große Stolperstein. Moskau, so argwöhnten demokratische wie republikanische Präsidenten in Washington, lasse aus purer Geldgier zu, dass die Mullahs sich mit auch militärisch nutzbaren Technologien zur Atommacht mausern. Mehrfach bestraften die USA am Projekt beteiligte russische Firmen daher sogar mit Sanktionen.

Russland sei in der Iranpolitik nach wie vor starkem Druck aus Washington ausgesetzt, sagte Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift „Russland in der globalen Politik“ dem Sender Echo Moskwy. Das sei auch der eigentliche Grund für die neue Terminverschiebung der Inbetriebnahme von Buschehr. Erst am Sonntag hatte Barack Obama in Singapur gewarnt, für diplomatischen Druck auf Teheran, wie Moskau ihn bisher favorisierte, bleibe nicht mehr viel Zeit. Der Grund: Der Iran hatte Washingtons Kompromiss – Voranreicherung von Uran im Iran, Weiterverarbeitung in Russland und Frankreich – aus Prestigegründen abgelehnt und Moskau damit ein weiteres Mal international vorgeführt.

Dafür, so der Chef des Moskauer Zentrums zum Studium des modernen Irans, Radschap Safarow, räche der Kreml sich „mit bewusster Abkühlung“ der Beziehungen zu Teheran. In der Tat hatte Medwedew Israel schon im September zugesagt, ein Abkommen über die Lieferung moderner russischer Luftabwehr an den Iran nicht zu erfüllen. Und er hatte Bereitschaft signalisiert, seinen Widerstand gegen schärfere UN- Sanktionen gegen Teheran aufzugeben. Voraussetzung ist, dass die USA Russlands Forderung zustimmen, die Begrenzung strategischer Offensivwaffen im Paket mit Raketenabwehr zu verhandeln. Diese Gespräche treten jedoch momentan auf der Stelle.

Die mächtige Iranlobby in Russlands Atom- und Rüstungsindustrie hofft trotz der derzeitigen Eintrübungen in den Beziehungen auf weitere Aufträge. Junge russische Physiker absolvieren bereits Intensivsprachkurse für Farsi in der iranischen Stadt Qom.

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