zum Hauptinhalt

Russland: Manöver im Hinterhof

Russland sieht sich durch eine Nato-Übung in Georgien provoziert – und befürchtet schwindenden Einfluss im Kaukasus

Die Manöver, so Russlands Präsident Dmitri Medwedew, seien schlichtweg eine „Provokation“. Dmitri Rogosin, Moskaus Nato-Botschafter, droht mit Boykott des Russland-Nato-Rates: Wieder einmal fühlt Russland sich von der Nato bedroht, diesmal von ein paar hundert Soldaten, die ab Mittwoch in Georgien an einem Nato-Manöver teilnehmen sollen.

Russland werde die Entwicklungen in der Krisenregion sehr aufmerksam beobachten und gegebenenfalls „diese oder jene Entscheidung treffen“. Worten folgten Taten: Moskau unterzeichnete letzte Woche mit Südossetien und Abchasien Abkommen, wonach deren Grenzen zu Georgien von russischen Einheiten geschützt werden. Das und die Tatsache, dass Russland in beiden Regionen Stützpunkte einrichtet, wo bis zu 9000 Soldaten stationiert werden sollen, wertete Georgien als Provokation. Auch die Kritik an dem Manöver kann man in Tiflis nicht verstehen: Als Einmischung in innere Angelegenheiten Georgiens und Versuch Russlands, der internationalen Gemeinschaft seinen Willen zu diktieren, bezeichnete das Außenministerium die Moskauer Protestnote.

Das Nato-Hauptquartier in Brüssel versucht indes zu beschwichtigen: Die Übungen seien nicht gegen Russland gerichtet. Bei der ersten – „Cooperative Longbow 2009“ – werde das Zusammenwirken nationaler Kontingente bei einer Friedensmission mit UN-Mandat in einem fiktiven Staat und mit Beteiligung von ganzen 347 Nato-Soldaten – vor allem Stabsoffiziere – geübt. Auch bei „Cooperative Lancer 2009“, das am 21. Mai anläuft, werde die Allianz mit ganzen 800 Soldaten vertreten sein. Georgien selbst stellt jeweils knapp 1000 Soldaten.

Moskau war sogar eingeladen worden, Beobachter zu entsenden, lehnte jedoch ab. Denn Kreml und Regierung bringen nicht die militärischen, sondern die politischen Aspekte des Vorhabens in Rage. Unter den insgesamt neunzehn Teilnehmerstaaten – Deutschland hält sich raus – sind mehrere Nato-Nichtmitglieder. Neben Georgien und der Ukraine, die nach wie vor auf einen Termin für konkrete Beitrittsverhandlungen pochen, auch solche, die einschlägige Ambitionen bisher nicht erkennen ließen.

Dass auch Armenien dazugehört, wurmt Moskau besonders. Kreml und Außenamt fürchten einen außenpolitischen Kurswechsel ihres traditionellen und momentan einzig loyalen Verbündeten im südlichen Kaukasus und damit das Ende russischer Präsenz in der Region. Bestätigt sahen beide ihre Ängste schon vor den Manövern in Georgien. Mitte April vereinbarten Armenien und die Türkei diplomatische Beziehungen und die Öffnung ihrer Grenzen. Und beim Programm „östliche Partnerschaft“, mit dem die EU Russlands Einfluss auf die ehemaligen Sowjetrepubliken weiter zurückdrängen will, wie Außenminister Sergej Lawrow fürchtet, ist Armenien ebenfalls mit von der Partie. Der offizielle Startschuss soll Donnerstag auf einem EU-Sondergipfel in Prag fallen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false