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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Premier Wladimir Putin.

© dpa

Russland nach der Wahl: Ein Glückwunsch, der keiner ist

Im Telefonat mit Wladimir Putin erwähnte Bundeskanzlerin Angela Merkel seinen Sieg in einer umstrittenen Abstimmung mit keinem Wort. Deutsche Politiker sehen nach der Wahl in Russland "Anlass zur Sorge".

In der Diplomatie ist das, was ungesagt bleibt, oft wichtiger als das tatsächlich Gesagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Tag nach der Präsidentenwahl in Russland mit Noch-Premier Wladimir Putin. Sie „übermittelte ihm ihre guten Wünsche für seine kommende Amtszeit als Staatspräsident“, erklärte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, am Montag. Vom Wahlsieg selbst war keine Rede. Zuvor hatten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den unfairen Verlauf des Wahlkampfs und Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung kritisiert. Da scheint es nur folgerichtig, dass die Kanzlerin gerade nicht zum großen Erfolg bei der Abstimmung gratulierte.

„Wir haben ein Spektakel der gelenkten Demokratie gesehen“, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, die selbst als Wahlbeobachterin in Moskau war. Der liberale Oppositionskandidat Grigori Jawlinski, der einzige nicht kremlkonforme Bewerber, sei mit einer „fadenscheinigen Begründung“ gar nicht erst zur Wahl zugelassen worden. „Für die Wähler gab es überhaupt keine Alternative.“

Dagegen betont SPD-Fraktionsvize Gernot Erler, trotz der Berichte über Unregelmäßigkeiten gebe es „keine Zweifel, dass Putin bereits im ersten Wahlgang eine Mehrheit hatte“. Auch seriöse Institute hätten das Ergebnis vorhergesagt. Man müsse erst sehen, ob es „größere Schummeleien“ gegeben habe.

Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische Zusammenarbeit, Andreas Schockenhoff (CDU), sieht nach der Wahl in Russland „Anlass zur Sorge“. Es drohe eine wachsende Kluft zwischen einer Mittelschicht, die politisch mitbestimmen möchte und Korruption ablehnt, und einem Staat, der den Status quo erhalten wolle. „Dabei sind Spannungen vorhersehbar“, warnte der Unionsfraktonsvize. Deutschland habe ein zentrales Interesse an einem demokratischen, modernen und rechtsstaatlichen Russland. „Sorgen macht uns nicht ein zu starkes, sondern ein zu schwaches Russland, das mit der Lösung seiner innenpolitischen Probleme überfordert sein wird.“

Auch Erler sieht den designierten Präsidenten vor einer schwierigen Amtszeit: „Putin wird nicht nur zu Hause einen schweren Stand haben.“ Es gebe viel Druck in Russland in Richtung Reformen, Korruptionsbekämpfung und Modernisierung. „Auch von Deutschland werden Forderungen kommen, diesen Erwartungen im eigenen Land gerecht zu werden.“ Erler sprach sich aber dagegen aus, von deutscher Seite einen „Forderungskatalog“ an Putin zu richten. „Das entmündigt die sich emanzipierende Zivilgesellschaft.“

Schockenhoff betonte allerdings, im Modernisierungsdialog mit Russland dürfe es nicht nur um technologische Innovation gehen: „Wir müssen die Zivilgesellschaft mit einbeziehen. Die neuen Russen, die Reformen fordern, müssen unsere Ansprechpartner sein.“

Auch Marieluise Beck setzt sich für stärkere Kontakte mit der außerparlamentarischen Opposition ein. „Diese Leute müssen spüren, dass es eine moralische Unterstützung in Europa gibt“, sagte die Grünen-Sprecherin für Osteuropapolitik. Deutschland dürfe nicht nachlassen, wirkliche demokratische Reformen und Pressefreiheit in Russland zu fordern.

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