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Politik: Russland plant Fusion von Unruheprovinzen

Inguschetien soll Tschetschenien angeschlossen werden. Moskau fürchtet Risiken für Olympia 2014

Offiziell dürfte Präsident Dmitri Medwedew die Katze frühestens bei seiner Jahresbotschaft an das Parlament kommende Woche aus dem Sack lassen. Unabhängige Online-Zeitung im Nordkaukasus indes ergehen sich bereits in Details zu der umfangreichsten und heikelsten Verwaltungsreform in der Geschichte des postkommunistischen Russlands. Demzufolge soll die Anzahl der nationalen Teilrepubliken im ethnisch bunt gemischten und stets unruhigem Nordkaukasus von sieben auf vier reduziert werden. In seinen gegenwärtigen Grenzen bleibt dabei nur das von mehreren Dutzend Volksgruppen besiedelte Dagestan am Westufer der Kaspi-See bestehen. Nordossetien wird die von Georgien beanspruchte und von Moskau als unabhängig anerkannte Südhälfte des Landes zugeschlagen, während die Kabardei die Siedlungsräume der Tscherkessen und der türkischen Völker umfassen soll.

Vor allem aber ist geplant, die gemeinsame Republik der Tschetschenen und Inguschen wieder zu errichten. Beide Völker sind eng miteinander verwandt und bildeten bis zum Ende der Sowjetunion eine gemeinsame, zur Russischen Föderativen Sowjetrepublik gehörende Autonomie. 1991 verabschiedeten sich die Tschetschenen in die Unabhängigkeit. Moskau konnte die Rebellenrepublik erst nach einem zehnjährigen Krieg wieder unter das Dach der Verfassung zwingen und wertete Inguschetien, wo sich die Mehrheit der Bevölkerung 1992 per Referendum für den Verbleib in Russland entschieden hatte, bereits 1992 zur Teilrepublik auf.

Mit der jetzt geplanten Wiedervereinigung will der Kreml Sicherheitsrisiken bei der Winterolympiade 2014 in Sotschi minimieren und gleichzeitig verhindern, dass die weitere Expansion Russlands im südlichen Kaukasus durch Unruhen im Norden gefährdet wird. Die Befürchtungen sind berechtigt. Vor allem in Inguschetien. Dorthin haben sich nach Wladimir Putins umstrittener Befriedung Tschetscheniens islamische Extremisten und Separatisten aus dem gesamten Nordkaukasus zurückgezogen und liefern sich mit lokalen Polizeikräften und den 2500 Soldaten, die Moskau im vorletzten Sommer in der Republik stationierte, regelrechte Gefechte. Erst in der vergangenen Woche kamen dabei bis zu 50 Menschen um.

Einzig möglicher Ausweg aus Sicht des Kremls ist eine Fusion mit Tschetschenien, die faktisch auf den Anschluss Inguschetiens hinausläuft. Medwedew und sein Ministerpräsident Putin hoffen offenbar, ihr Statthalter in Tschetschenien, Ramzan Kadyrow, werde bei den Nachbarn mit eiserner Faust ähnlich schnell Ordnung schaffen wie in Grosny. Denn Inguschen-Präsident Murat Sjasikow, ein von Putin eingesetzter Geheimdienstgeneral, hat keinen Rückhalt in der Bevölkerung und daher keine Chance, die Lage in den Griff zu bekommen.

Experten wie Ruslan Kutajew vom Internationalen Komitee für die Probleme des Kaukasus warnen vor den Folgen: Islamisten, Nationalisten und Banden würden sich bei einer Zwangsvereinigung solidarisieren. Die Gewalt könnte eskalieren.

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