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Russland: Putin fürchtet das Internet

Telefonie und unabhängige E-Mail-Dienste bedrohen angeblich Russlands nationale Sicherheit. Die Opposition erwartet ein Verbot von Hotmail und Co.

Moskau - Hunderte einheimische E-Mail-Dienste buhlen seit Jahren um die werte Kundschaft. Doch russische Internet-User kommunizieren lieber über unabhängige Provider, deren Server im Ausland stehen. Über Hotmail etwa oder über G-Mail, ein Produkt der Suchmaschine Google. Millionen treue Fans hat auch Skype, das Internet-Telefonie anbietet. Dank Webcams können Menschen, die sich wegen der Riesenentfernungen seit Jahren nicht mehr getroffen haben – von Kaliningrad im Westen bis Wladiwostok im Osten sind es mehr als 9000 Kilometer –, ihre Gesprächspartner sogar sehen. Ein Spaß, der noch dazu nur ein Bruchteil dessen kostet, was Festnetz-Monopolist Rostelekom für gewöhnliche Ferngespräche kassiert. Dafür nimmt die Nation sogar die zum Teil sehr schlechte Sprachqualität in Kauf.

Doch damit könnte bald Schluss sein. Die unkontrollierte Nutzung von Diensten wie Hotmail, G-Mail oder Skype, warnt der Leiter des Zentrums für den Schutz von Informationen bei Russlands Inlandsgeheimdienst FSB, Alexander Andrejetschkin, stelle eine „potenzielle Bedrohung für die nationale Sicherheit dar“. Vor allem die angebotenen Verschlüsselungsmethoden würden „operative Maßnahmen“ – vulgo das Schnüffeln – erschweren. Zwar gebe es keine Pläne für ein Totalverbot in Russland, eine mit Geheimdienstlern und Experten anderer Behörden besetzte Sonderkommission werde die Tätigkeit der drei Unternehmen jedoch genauestens unter die Lupe nehmen und der Regierung bis 1. Oktober Empfehlungen zur weiteren Verfahrensweise unterbreiten.

Anwalt Genri Resnik, der der liberalen Opposition nahesteht, fürchtet dennoch ein Verbot. Dieses ließe sich problemlos per Gerichtsbeschluss durchsetzen, wenn der russische Staat als Kläger auftritt und nachweisen kann, dass seine Interessen durch die Nutzung von Skype und Co. bedroht sind. Aus Sicht von Premier Wladimir Putin sind sie es. „Gut argumentiert und begründet“ nannte sein Pressesprecher den Vorstoß von FSB-Mann Andrejetschkin – obwohl Russlands Geheimdienste dem Präsidenten unterstehen und Dmitri Medwedew Andrejetschkin gerade Kompetenzüberschreitung vorgeworfen hatte.

Auch Michail Fedotow, der Chef des Beirats für Menschenrechte und Zivilgesellschaft beim Präsidenten, hält ein Verbot für den „prinzipiell falschen Weg“. Menschenrechtler Lew Ponomarjow warnt sogar, damit würde Russland endgültig die Rolle rückwärts zu einem totalitären Staat hinlegen. Die liberale Opposition vermutet, sie soll angesichts nahender Parlaments- und Präsidentenwahlen weiter marginalisiert werden. Seit 2003 nicht mehr in der Duma vertreten, daher von staatsnahen elektronischen Medien weitgehend ignoriert und finanziell schwach auf der Brust, kommuniziert sie mit Mitgliedern und Sympathisanten vor allem über Internetressourcen wie Skype.

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