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Russland: Putins Mann im Kreml

Russlands Präsident Dimitri Medwedews reale Macht ist bislang begrenzt. Viele die sich von einem Machtwechsel eine andere Politik erhofft hatten, sind enttäuscht.

Moskau - Kein Ruck ging durch den Saal im und schon gar nicht durch die russische Gesellschaft, die per Fernsehen mit dabei war, als Dmitri Medwedew am 12. November seine zweite Jahresbotschaft an das Parlament verlas. Vier solcher Ansprachen stehen dem Präsidenten in den vier Jahren seiner Legislaturperiode zu. Aber auch nach den beiden ersten ist nicht erkennbar, wie er den Vertrauensvorschuss derjenigen rechtfertigen will, die sich von dem Machtwechsel im Kreml auch einen Kurswechsel versprachen. Selbst bei Umfragen staatsnaher Meinungsforscher sind mit Medwedews Politik nur knapp 60 Prozent der Befragten zufrieden. Gewählt hatten ihn im März 2008 mehr als 70 Prozent.

Experten erklären den Liebesentzug durch das Volk vor allem damit, dass Medwedews Sonntagsreden bisher kaum Taten folgten. Oder nur halbherzige. So kündigte Medwedew zwar Lockerungen der rigiden Gesetzgebung an, mit der Vorgänger Putin 2006 die Arbeit nichtstaatlicher Organisationen behinderte. In dem Entwurf, den Medwedew jüngst der Duma vorlegte, werden indes nur Organisationen, die sich sozial oder karitativ engagieren, von Steuerlasten, Kontrollen und anderen bürokratischen Hürden befreit. Nicht aber Menschenrechtler – obwohl Medwedew sich öffentlich gern für eine starke Zivilgesellschaft ins Zeug legt.

Zwar sah Medwedew in der Präambel seiner Jahresbotschaft auch bei politischen Reformen dringenden Handlungsbedarf. Im Hauptteil aber arbeitete er sich fast nur an der Überwindung wirtschaftlicher Rückständigkeit ab. So belässt er es bei bloßen Verbalattacken gegen politische und sogar gegen wirtschaftliche Fehlentwicklungen wie Staatskonzerne. Sie aber entstanden mit Ausnahme von Gasprom und dem Durchleitungskonzern Transneft erst in der Putin-Ära und erbringen gegenwärtig fast 50 Prozent der gesamten russischen Wirtschaftsleistung. Aus Sicht Medwedews sind sie jedoch ineffizient, müssten abgeschafft oder in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Was davon in der Endfassung eines Gesetzes, das Medwedew bereits plant, übrig bleibt, ist ungewiss. Denn die Kremlpartei Einiges Russland, die im Parlament über eine satte Zweidrittelmehrheit verfügt, hört im Zweifelsfall auf Putin. Der aber hatte zu Medwedews Angriff auf die Staatskonzerne ein finsteres Gesicht gemacht und sich schon im Oktober öffentlich schützend vor sie gestellt.

Beispiele wie diese gibt es Dutzende. Sie beweisen aus Sicht von Laien und Experten: Medwedews reale Macht ist nach wie vor kaum größer zu veranschlagen als die der britischen Königin, deren Thronreden der Premier schreibt. Medwedew schreibt seine zwar selbst, konnte aber den „Apparat“ – das Beamtenheer, das in Russland traditionell die eigentliche Macht hat – nicht hinter sich bringen. Denn alle Schlüsselpositionen hatte Putin mit seinen Gefolgsleuten besetzt. Vielleicht aber will Medwedew auch nichts anderes, als seinem Vorgänger den Chefsessel im Kreml bis zu den nächsten Wahlen warm halten.

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