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Russland: Stellt Putin die Weichen für seine Zukunft?

In Russland mehren sich die Gerüchte um vorgezogene Neuwahlen. Seine Gegner fürchten, das Putin für zwölf weitere Jahre in den Kreml einzieht. Viele Russen würden das begrüßen, denn Medwedew kann ihre Sehnsüchte nicht erfüllen.

Nur die kommunistischen Abgeordneten – 50 von insgesamt 450 in Russlands Parlament – stimmten am Freitag in erster Lesung gegen ein Gesetz, das die Amtszeiten für den Präsidenten und das Parlament auf fünf beziehungsweise sechs Jahre verlängert. Auch die für Mittwoch geplante zweite und dritte Lesung dürfte der Entwurf problemlos passieren. Dafür sorgt schon die Partei von Premier Wladimir Putin, „Einiges Russland“, die über eine Zweidrittelmehrheit in der Duma verfügt und sämtliche Ausschüsse kontrolliert. Sie hatte den Abgeordneten in der zurückliegenden Woche sogar empfohlen, die Vorlage gleich in drei Lesungen zu verabschieden. Offenbar ohne tiefergehende Prüfung. Denn die Vorlagen hatte das Präsidentenamt erst am Abend zuvor eingebracht – kaum eine Woche, nachdem sich Präsident Dmitri Medwedew in seiner Jahresbotschaft an das Parlament für die Verlängerung der bisher auf vier Jahre begrenzten Legislaturperioden ausgesprochen hatte.

Ein derartiges Tempo wäre selbst in westlichen Demokratien rekordverdächtig. Zumal es sich nicht um gewöhnliche Gesetze handelt, sondern um Änderungen der 1993 per Volksentscheid in Kraft gesetzten Verfassung. Die anzutasten aber hatten sowohl der frühere Präsident Boris Jelzin als auch Wladimir Putin stets mit Vehemenz abgelehnt. Auch Medwedew, der daher das Wort Verfassungsänderungen tunlichst vermeidet und von bloßen „Korrekturen“ spricht. Ex-Verfassungsrichterin Tamara Morschtschakowa sieht das anders – für den promovierten Juristen Medwedew eine öffentliche Ohrfeige. Die zweite kam von der demokratischen Opposition, die ihm „Usurpation der Macht“ vorwarf. Zwar nicht auf eigene Prokura – die Änderungen sollen erst nach den nächsten Wahlen in Kraft treten –, wohl aber für den aktuellen Premierminister Putin. Der, so vermuten, ja befürchten dessen Gegner, könnte schon bald erneut im Kreml einreiten. Für weitere zwölf Jahre.

Vorgezogene Neuwahlen würden bereits 2009 stattfinden, schrieb die in Moskau erscheinende „Wedomosti“. Die Quelle des Blattes darf als seriös gelten: Gleb Pawlowski von der kremlnahen „Stiftung für effektive Politik“. Das Szenario, so Pawlowski, habe das Präsidentenamt bereits unter Putins Regie geschrieben; um dessen Image nicht zu beschädigen, wurde aber für die Realisierung Medwedew verpflichtet. Dieser werde die Verfassungsänderungen zum Anlass nehmen, um seine Vollmachten im kommenden Jahr niederzulegen. Zumal viele Russen sich in Krisenzeiten wieder einen Zuchtmeister mit eiserner Rute wünschen. Sehnsüchte, die Medwedew nicht bedienen kann.

Putin, so „Wedomosti“ unter Berufung auf eine andere Quelle im Präsidentenamt, habe mit seiner vor ein paar Tagen freigeschalteten neuen Website seine Wahlkampagne faktisch schon gestartet und werde auf dem Parteitag von „Einiges Russland“ kommende Woche mit einer programmatischen Rede nachlegen.

Zwar dementierte Putins Sprecher Pläne für vorgezogene Präsidentenwahlen, wollte jedoch nicht ausschließen, dass Putin sich später erneut um den Thron bewirbt. Allerdings kaum vor 2010. Erst dann rechnen Experten mit dem Beginn einer Erholung von den Folgen der Finanzkrise. Bis dahin ist der Job des Staatschefs der mit Abstand undankbarste, den Russland zu vergeben hat.

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