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Politik: Russlands Hongkong

Am Mittwoch war es so weit. Für die Premiers Russlands, Polens und Litauens stand ein seit Januar geplantes Gespräch über Kaliningrad (Königsberg) an.

Am Mittwoch war es so weit. Für die Premiers Russlands, Polens und Litauens stand ein seit Januar geplantes Gespräch über Kaliningrad (Königsberg) an. Da Litauen und Polen zu den zehn EU-Beitrittsländern der ersten Runde gehören, wie beim deutsch-polnischen Treffen in Berlin erneut versichert wurde, wird aus Kaliningrad eine russische Insel inmitten der Europäischen Union. Für den polnischen Premierminister Leszek Miller ist dies "eine seltsame Situation, unter jedem Blickwinkel". An künftigen Diskussionen über den Status von Kaliningrad soll daher auch ein EU-Vertreter teilnehmen. Miller schwebt eine Vereinbarung vor, der zufolge erst einmal neue Grenzübergänge und Straßen gebaut werden. Auch eine "Beteiligung an russischen Investitionsprojekten" kann er sich vorstellen. Die EU hatte am 18. Januar detaillierte Vorschläge für die Region unterbreitet.

Kaliningrad ist gerade für Polen ein Problem. "Dort stehen mehr Panzer, als Frankreich und Großbritannien zusammen besitzen", sagt Janusz Onyszkiewicz, Polens Verteidigungsminister bis 2000, über die traditionelle Garnisonsstadt und Waffenschmiede. Onyszkiewicz glaubt, dass "die Vorherrschaft des Militärischen ein Wirtschaftswunder verhindert". Kaliningrad brauche ein besonderes Entwicklungsrezept. Im schlimmsten Fall werde die Region um das alte ostpreußische Königsberg "dasselbe, was Puerto Rico für die USA ist". Und im günstigsten Fall? "Das Hongkong Russlands", sagt Jerzy Nowakowski, Chefberater von Ex-Premier Buzek.

Im Konzipieren einer Chance für Kaliningrad können sich die künftigen EU-Partner Polen und Litauen beweisen. Während Deutschland über Arbeitsmigration und Agrarsubventionen nach der Osterweiterung debattiert, rückt für die Neuen das Ordnen ihrer Region ins Zentrum. Die jüngste polnisch-russische Annäherung kommt da gelegen.

Mitte Januar war Wladimir Putin zu Besuch in Warschau. Laut Miller war es "ein besonders wichtiger Besuch, vielleicht ein Durchbruch". Zumindest symbolisch: Putin erwies den Toten des Warschauer Aufstands seine Ehre. Im Tagungsraum des Auswärtigen Ausschusses des Sejm wurde Putin dann von den polnischen Parlamentariern gefragt, ob Nuklearwaffen in Kaliningrad stationiert seien. Unter einem Ölporträt eines polnischen Napoleon-Gegners und einem Landschaftsidyll sitzend, reagierte Putin auf die polnischen Ängste mit einem unzweideutigen Satz: "Weder jetzt noch künftig" habe Moskau Stationierungspläne für Atomwaffen, und es befänden sich auch keine dort.

So habe Putins Versicherung gelautet, sagt der Vorsitzende des Außenpolitik-Ausschusses, zugleich Fraktionschef der größten Regierungspartei SLD, Jerzy Jaskiernia. Wirtschaft statt Waffen: Für das historisch so schwierige polnisch-russische Verhältnis ist Kaliningrad etwas, das immer mehr Warschauer Politiker auch als Chance begreifen. Eine Chance, an deren Realisierung auch die bisherige EU beteiligt sein soll. Ebenfalls am Mittwoch und ebenfalls in Kaliningrad traf sich der Ostseerat zum Jubiläumstreffen. Dabei war auch Ex-Außenminister Genscher.

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