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Politik: Russlands neue Partei der Macht Kreml etabliert

zweite politische Kraft

Noch vor einer Woche wollte Igor Sotow von einer Fusion nichts wissen. Seine „Rentnerpartei“ sei in 78 der 88 russischen Regionen aktiv präsent: „Wir sind uns unserer Stärke bewusst und haben keine Lust, in anderen Vereinigungen aufzugehen.“ Gemeint waren die „Partei des Lebens“ von Senatspräsident Sergej Mironow und das linksnationale Bündnis „Rodina“ (Heimat). Vorgestern indes sah Sotow zu beiden „erhebliche Gemeinsamkeiten“ und zog auch gleich entsprechende organisatorische Konsequenzen. Bis Dezember soll die neue Partei stehen. Vorläufiger Arbeitstitel: „Heimat. Rentner. Leben – Allianz für Vertrauen“.

Das hat vor allem Sotow nach seiner Kehrtwende bitter nötig. Umso mehr, da diese weniger eigener Einsicht denn sanftem Druck von ganz oben geschuldet ist. Putin hatte in seinen Jahresbotschaften an das Parlament das US-amerikanische Zweiparteiensystem mehrfach als Vorbild für Russland bezeichnet und, weil die Masse mit kollektiver Interessenvertretung noch immer nicht viel anfangen kann, dabei ein bisschen nachgeholfen. Bei den nächsten Dumawahlen im Dezember 2007 werden alle 450 Mandate nur noch über Listen von Parteien vergeben – falls sie die von fünf auf sieben Prozent angehobene Sperrklausel überwinden und mindesten ein Jahr vor dem Urnengang beim Justizministerium registriert wurden.

Für Neugründungen und Fusionen bleiben somit ganze vier Monate. Mitte August sah Wladislaw Surkow, Vizechef der Kremladministration und dort für die Organisation stabiler Mehrheiten zuständig, daher akuten Handlungsbedarf: Russlands politisches System brauche ein „zweites Standbein“. Im Klartext: Eine Partei mit linker Rhetorik, die die latente Unzufriedenheit der Massen auffängt dabei aber verhindert, dass diese sich unkontrolliert entlädt und zur Bedrohung für die herrschenden Eliten wird. Zugleich sollen den Kommunisten Wählerstimmen streitig gemacht werden. Eine Pseudo-Alternative zur „Partei der Macht“, der Partei Einiges Russland, die in der Duma über zwei Drittel aller Sitze verfügt.

Eine „gesunde Opposition“ zu Einiges Russland, wie sie Mironow sich und der neuen Partei verordnet hat, dürfte sich daher auf Nuancen beschränken. Wenn alles nach Plan läuft. Und das halten Beobachter noch nicht für ausgemacht. Die bloße Addition von Mitgliedern und Wählerstimmen, warnte der Direktor des Instituts für politische und humanitäre Studien, Wjatscheslaw Igrunow, sei keine Garantie für Synergieeffekte. Im Gegenteil: Die Fusion führe zwangsläufig zu Identitätsverlusten. Angesichts ähnlicher Zielgruppen würden die Koalitionäre sich früher oder später gegenseitig auffressen.

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