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Politik: Saar-SPD: Fast so frech wie Oskar

Am Ende eines turbulenten Jahres zeigt sich Gerhard Schröder milde. Die Wirtschaftsdaten sind ordentlich, der Euro steigt, die Arbeitslosenzahlen sinken, wenn auch sachte.

Von Matthias Meisner

Am Ende eines turbulenten Jahres zeigt sich Gerhard Schröder milde. Die Wirtschaftsdaten sind ordentlich, der Euro steigt, die Arbeitslosenzahlen sinken, wenn auch sachte. Als der Kanzler und SPD-Chef am Mittwochabend in Saarbrücken zu den Delegierten der Saar-SPD sprach, sollte ihm ein freundlicher Empfang gewiss sein. Die Saar-Genossen, die früher nur Ohren und Augen für ihren "Oskar" hatten und denen oft schon bei der bloßen Nennung des Namens Schröder der Atem stockte, sind nun ganz offenbar auf Versöhnung aus.

Dass die saarländischen Sozialdemokraten ihren Frieden mit Parteifreund Schröder schließen, hat auch mit ihrem neuen Landeschef Heiko Maas zu tun, der auf dem Parteitag der Saar-SPD als einziger Kandidat für den Vorsitz zur Wahl stand. Aus dem Schatten seiner Vorgänger Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt will sich der 34-Jährige rasch lösen - und das geht nicht ohne Kritik an seinen Vorgängern. Sehr stark von "Überfiguren" geprägt worden sei die Landespartei, sagt Maas, jetzt müsse sie wieder zur Teamarbeit zurückfinden.

Doch die Annäherung geht auch von Schröder aus, der als "Genosse der Bosse" Karriere gemacht hat. Er schickt sich an, die fröstelnden Seelen der Linken zu wärmen. Aufmerksam wird im Saarland eine augenscheinliche Kurskorrektur Schröders registriert: Keine Rede ist mehr vom Schröder-Blair-Papier, mit dem der Parteichef gemeinsam mit seinem damaligen Untergrundkämpfer Bodo Hombach Europas Sozialdemokratie aufmischen wollte. Auch die Verkrampfung nach dem Wechsel von Lafontaine zu Schröder und von Bundesgeschäftsführer Ottmar Schreiner zu Generalsekretär Franz Müntefering hat sich gelegt. Und eine neue Liebe Schröders zu den Gewerkschaften wird beobachtet - auch wenn sie nicht einem inneren Drang Schröders, sondern taktischem Kalkül folgt. Man lächelt wieder miteinander und speist gemeinsam in edlen Lokalen.

Die erstaunliche Annäherung zwischen dem Kanzler und dem traditionell linken SPD-Landesverband ist aber auch mit allgemeiner Resignation in der Saar-SPD zu begründen, verursacht durch die Abstürze der prominenten Saarlodris Lafontaine, Schreiner und Klimmt, sowie der verlorenen Landtagswahl 1999. Maas gilt schon länger als Hoffnungsträger seiner Partei - gerade, weil er sich immer wieder geschickt von anderen Spitzenpolitikern der Landespartei distanzierte. Schon als Juso-Landeschef machte er mit kritischen Äußerungen zum Führungsstil Lafontaines von sich reden. Schröder fiel der junge Maas, der mit 32 Jahren Umweltminister unter Lafontaine und nach der verlorenen Landtagswahl alleiniger Oppositionsführer im Landtag wurde, bald auf. Der Kanzler lobte ihn als einen der kommenden Leute der "SPD von morgen".

Seine Rolle als einer der Männer der Zukunft festigt Maas, indem er geschickt zwischen den Flügeln vermittelt. Als "ein bisschen so frech wie Oskar" gilt er unter seinen Parteifreunden. Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit sei für ihn Pflicht, versichert der Genosse von der Saar - schon vor dem Jura-Studium stand er in seiner Heimatstadt Saarlouis beim Ford-Automobilwerk am Fließband und lernte die Arbeitswelt kennen. Zugleich setzt der 34-Jährige auf ein verjüngtes Team und offenere Parteistrukturen, in denen beispielsweise neben Gewerkschaften auch Unternehmer Platz finden sollen. Maas: "Auf die Mischung kommt es an. Mit Beliebigkeit oder mit Pragmatismus pur wird man dem ausgeprägten Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit nicht gerecht."

Schröders Besuch am Mittwochabend im Saarland kam insofern nicht von ungefähr. Der Kanzler nutzte die Gelegenheit, alte Skeptiker und Rebellen mit seiner "erfolgreichen Bilanz" zu überzeugen. Mit warmen Tönen war gerechnet worden, und über Ex-Freund Oskar, der nicht erwartet wurde, sollte nach Vorhersage von Beobachtern kein schlechtes Wort fallen. Dafür galt das Lob für den neuen Landesvorsitzenden als jungen Hoffnungsträger als sicher. Allzu viele Nachwuchskräfte, die des Lobes würdig sind, hat die ergraute SPD zur Jahrtausendwende nicht zu bieten.

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