zum Hauptinhalt

Sacharow-Preis: EU-Parlament ehrt chinesischen Dissidenten

Sanfter Geist mit eisernem Willen: Hu Jia wirkt wie ein harmloser Informatikstudent, die chinesische Regierung aber hat der Menschenrechtler das Fürchten gelehrt. Dafür sitzt er nun hinter Gittern - und bekommt vom EU-Parlament einen Preis verliehen.

Er sieht aus wie ein zurückhaltender Bücherwurm, dieser schmale Mann mit der Brille und dem jungenhaften Lächeln - doch der erste Eindruck täuscht: Hu Jia ist Chinas bekanntester Bürgerrechtler, und er hat einen eisernen Willen, wenn es um den Kampf für Menschenrechte, für die Umwelt und für Aids-Kranke in der Volksrepublik geht. Das Europäische Parlament hat den 35-Jährigen für sein mutiges Engagement jetzt mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet. Hu jedoch wird die Ehrung am 17. Dezember in Straßburg kaum selbst entgegennehmen können, denn er sitzt im Gefängnis: Chinas Justiz hat ihn im April zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt - wegen angeblicher umstürzlerischer Umtriebe.

So verurteilte Chinas Regierung denn auch die Verleihung des Preises prompt als "grobe Einmischung in innere Angelegenheiten". Der Sprecher des Außenministeriums, Liu Jianchao, nannte den 35-Jährigen Aktivisten am Donnerstag in Peking vor Journalisten einen "inhaftierten Kriminellen".

Scheinbar harmlos kommt Hu, ein studierter Informatiker, allerdings daher, doch Chinas Machthaber hat er das Fürchten gelehrt. Die Haftstrafe für den Dissidenten gibt davon Zeugnis. Für Hu ist ein Leben in Gefangenschaft nichts Neues - er hat den Großteil der vergangenen drei Jahre im Polizeigewahrsam oder, zusammen mit seiner Frau Zeng Jinyan, unter Hausarrest verbracht - in der gemeinsamen Wohnung in Peking, die in einer Anlage mit dem klangvollen Namen "Dorf der Freiheit" liegt. Seinen Humor hat Hu aber offenbar nicht verloren: "Bei so vielen Polizisten, die mich auf Schritt und Tritt verfolgen, komme ich mir richtig wichtig vor", tat er einst in einem Rundfunk-Interview kund.

Verurteilung wegen Anstiftung zum Umsturz

Es war ausgerechnet kurze Zeit nach einer Telefonkonferenz Hus mit Vertretern des Europa-Parlaments, dass der Dissident im Dezember 2007 wieder festgenommen wurde: Mit Mitgliedern des Parlaments-Unterausschusses für Menschenrechte hatte Hu über die Menschenrechtslage in seinem Heimatland gesprochen. Die chinesische Obrigkeit quittierte dies im April mit seiner Verurteilung wegen Anstiftung zum Umsturz. Doch bremsen lässt Hu sich nicht: "Während seiner ganzen Geschichte war China eine Diktatur", sagte er einmal. Erst jetzt gebe es die Chance, erstmals seit 5000 Jahren Demokratie ins Land zu bringen: "Deshalb fühle ich mich geehrt, in dieser Zeit zu leben, und deshalb tue ich, was ich tue."

Seinen Drang zu bürgerrechtlichem Engagement entdeckte Hu bereits als Informatik-Student. Damals bewegten ihn vor allem die Umweltsünden im Land, später wandte Hu sich dann auch den Menschenrechten zu. Unter anderem mit regierungskritischen Artikeln im Internet hat er wieder und wieder auf Verstöße gegen die Bürgerrechte in der Volksrepublik aufmerksam gemacht. Ohne Rast und Ruhe setzt er sich auch für die Aids-Kranken in seinem Land ein, obwohl er nach Angaben seiner 25 Jahre alten Frau Zeng durch eine Leber-Zirrhose selbst schwer angeschlagen ist. Auch Haft könne Hus starken Willen nicht brechen, schreibt Zeng in ihrem Internet-Blog: "Er wird das Thema Menschenrechte nicht fallenlassen und es den Gefängniswärtern und der Leitung der Haftanstalt schwer machen", prophezeit sie. Zu dem Preis sagte sie: "Ich denke, dass Hu Jia sehr zufrieden sein wird, weil seine Arbeit nun allgemeine Anerkennung gefunden hat."

Während die chinesische Führung ihn abstraft, rücken immer neue internationale Ehrungen Hus Engagement weltweit ins Rampenlicht - wie nun der prestigeträchtige Sacharow-Preis. Zuvor erkannten ihm bereits die "Reporter ohne Grenzen" einen Preis zu, Paris erkor ihn zum Ehrenbürger. In diesem Jahr schließlich galt er als einer der Favoriten für den Friedensnobelpreis, und vielerorts war die Enttäuschung groß, als statt seiner der finnische Politiker Martti Ahtisaari ausgezeichnet wurde.

Zur Startseite