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Sachsen-Anhalt: Polizei im Intrigensumpf

Die Polizeiaffäre in Sachsen-Anhalt zieht weitere Kreise: Magdeburger Landtags-Abgeordnete untersuchen einen peinlichen Fall nach dem anderen.

Von Frank Jansen

Der Untersuchungsausschuss des Landtags gräbt und gräbt und fördert Indizien zutage, die dem Ansehen der Polizei von Sachsen-Anhalt wenig förderlich sind. „Man schüttelt nur noch den Kopf“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Guido Henke (Linkspartei), im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Auch der Obmann der FDP-Fraktion, Guido Kosmehl, hat den „fatalen Eindruck“, kritische Polizeibeamte seien von ihren Vorgesetzten unfair behandelt worden. Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen CDU und SPD halten sich zurück, einige äußern aber halblaut Unmut. Am vergangenen Montag, bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause, wurde nochmal deutlich, dass der im September 2007 eingesetzte Ausschuss zur Klärung der vielschichtigen Polizeiaffäre notwendig ist.

Auf der Agenda stehen sechs Fälle polizeilichen Fehlverhaltens, momentan geht es um eine besonders peinliche Geschichte. Die Polizeidirektion Dessau ermittelte 2006 gegen einen engagierten Demokraten, der nach einem Neonazi-Angriff in Bergwitz auf Bitten der Bürgermeisterin einen Vortrag über die rechte Szene hielt. Steffen Andersch, Leiter der mit Bundesmitteln geförderten Dessauer Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, zeigte auch Fotos, auf denen ein bekannter NPD-Funktionär zu sehen war und der Betreiber eines Geschäfts, das Kleidung der bei Nazis beliebten Marke Thor Steinar verkauft. Ein Polizist saß im Publikum und berichtete dann in der Direktion über die Veranstaltung. Die Folge: Gegen Andersch wurde ein Verfahren eingeleitet, wegen des Verdachts auf üble Nachrede und Verstoßes gegen das Kunsturheberrecht zum Nachteil des NPD-Mannes und des Ladenbetreibers.

Andersch wehrte sich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Und die Staatsanwaltschaft Dessau sah keinerlei Strafbarkeit, sie stellte das Verfahren ein. Die damalige Präsidentin der Direktion Dessau, Brigitte Scherber-Schmidt, entschuldigte sich im Juli 2007 bei Andersch. In einem längeren Schreiben schob sie allerdings die Verantwortung für das Debakel dem zuvor in Ungnade gefallenen Ex-Chef der Abteilung Staatsschutz zu, Sven Gratzik.

Der Kriminalrat und zwei Kollegen hatten im Februar 2007 die Polizeiaffäre ins Rollen gebracht. Die drei Beamten widersetzten sich da dem Drängen des Vizechefs der Direktion Dessau, Christoph Glombitza, die Bekämpfung rechter Kriminalität zu bremsen. Im Mai berichtete der Tagesspiegel über Glombitzas skandalöse Aktion – die Polizeiaffäre wurde öffentlich und wuchs um weitere Fälle.

Im Juli dann schrieb Scherber-Schmidt im Brief an Andersch, sie entschuldige sich „für die Versäumnisse“ der früheren Leitung des Staatsschutzes. Doch Gratzik wehrt sich: Am Montag sagte er dem Untersuchungsausschuss, Glombitza habe die Ermittlungen gegen Andersch angewiesen – mit der Bemerkung, die Initiative gegen Rechtsextremismus kriege jetzt „mal einen dran“. Glombitza selbst hatte zuvor gesagt, er habe Gratzik damals nur aufgefordert, im Fall Andersch „einmal nachzuhaken“. Im September wird der Ausschuss weitere Zeugen hören.

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