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Sachsen LB: Frevler oder Patriot?

Milbradt und die Sachsen LB – nun gibt es Streit über einen Fonds, an dem der Regierungschef beteiligt ist.

Von Matthias Schlegel

Bekanntlich kann man eine Sache immer von zwei Seiten sehen. Im Falle jüngster Vorwürfe gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) könnten die Ansichten kaum gegensätzlicher sein. Milbradt, als Finanzminister einst automatisch Chef des Verwaltungsrats der landeseigenen Sachsen LB, hatte 1996 gemeinsam mit seiner Frau Angelika Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds erworben, mit dem das Verwaltungsgebäude eben jener Landesbank in der Leipziger Innenstadt finanziert wurde. Die Fondsbeteiligung, die 50 000 Euro betragen soll, wurde teilweise über einen Kredit der Landesbank realisiert, das sah das Geschäftsmodell so vor. Weil die Sachsen LB selbst wie auch die Leipziger Sparkasse zuverlässige Nutzer des Gebäudes mit Mietgarantie waren, konnte man bei einer prognostizierten Rendite von 9,3 Prozent durchaus von einem lukrativen Geschäft sprechen.

Die Opposition im sächsischen Landtag nennt es anders, nämlich „ein klassisches Insidergeschäft zum Zweck der persönlichen Bereicherung und eine neue Qualität in der Affäre um die Sachsen LB“, so Linksfraktionschef André Hahn. Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau wirft Milbradt vor, dass ihm der Instinkt dafür fehle, „dass das, was nicht ausdrücklich verboten ist, für einen Politiker noch lange nicht erlaubt ist“. Auch FDP-Fraktionschef Holger Zastrow bezweifelt, dass der Regierungschef noch „moralisch vollkommen integer und unagreifbar agiert“.

Dass man das ganz anders sehen kann, diktierte der sächsische Regierungssprecher Peter Zimmermann den Kollegen vom „Spiegel“, die die Einzelheiten des Falles aufgedeckt hatten, in den Block: Es sei doch gut, dass ein Ministerpräsident auch sein persönliches Geld im Freistaat Sachsen und nicht in anderen Bundesländern anlege. Der Regierungschef habe keinen Anlass, sich weiter dazu zu äußern.

Für den Koalitionspartner SPD ist das erneut eine harte Belastungsprobe. Ihr Fraktionsmitglied und „Chefermittler“ Karl Nolle, der seit langem an dieser Sache dran ist, war 2004 noch beim Finanzministerium mit seinem Auskunftsbegehren über die privaten Anlagen des Regierungschefs gescheitert. Das unterliege dem Bankgeheimnis, wurde ihm beschieden. Doch als Milbradt nun am vergangenen Dienstag vor dem Untersuchungsausschuss zur Affäre um den 2007 abgewickelten Notverkauf der Sachsen LB aussagen musste, stellte ihn Nolle. Ja, er habe eine Beteiligung an dem Fonds, mit dem eine Finanzierung durch die Bank – „allerdings zu ganz normalen Konditionen“ – verbunden sei, sagte Milbradt.

Skandal oder nicht – die SPD ist sich da noch nicht so ganz sicher, zumal die in den letzten beiden Jahren geradezu inflationär vorgebrachten Rücktrittsforderungen gegenüber Milbradt das Ansehen der Absender nicht unbedingt gestärkt haben. SPD-Generalsekretär Dirk Panter will sich zumindest mit der in der Staatskanzlei angedeuteten Verweigerung präziserer Auskünfte nicht abspeisen lassen. „Es besteht Aufklärungsbedarf, und wir erwarten demnächst eine öffentliche persönliche Erklärung des Ministerpräsidenten“, sagte er dem Tagesspiegel.

Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer indes bevorzugt die Offensivverteidigung: Von der SPD werde „über ihr freies Radikal Karl Nolle ständig versucht, den Ministerpräsidenten zu skandalisieren“, sagte Kretschmer dem Tagesspiegel. Doch hier handle es sich um eine „ganz normale Beteiligung wie für jeden anderen Kunden auch, ohne jegliche Sonderkonditionen“. Es sei ein öffentlich beworbener Fonds mit höchster Transparenz, an dem 1700 Sparkassenkunden beteiligt seien. Auf Milbradt entfalle ein Anteil von etwa 0,001 Prozent. Auch ein Ministerpräsident habe einen Anspruch auf Privatsphäre. Er hätte, so Kretschmer, Nolles Frage im Untersuchungsausschuss gar nicht beantwortet.

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