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Tillich

© dpa

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich: ''Ich stelle mich mit gutem Gewissen zur Wahl''

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sprach mit dem Tagesspiegel über Vorwürfe, seine Biografie beschönigt zu haben.

Die Vorwürfe gegen Sie wegen Ihres Umgangs mit Ihrer DDR-Biografie reißen nicht ab. Warum haben Sie frühere Fragebögen so ungenau beantwortet?



Ich habe in Lebensläufen angegeben, dass ich bei der Kreisverwaltung Kamenz tätig gewesen bin. Als im Herbst 2008 der Vorwurf laut geworden ist, ich hätte die exakte Amtsbezeichnung nicht angegeben, habe ich in einem längeren Namensartikel in mehreren sächsischen Zeitungen meinen Lebensweg und meine früheren Funktionen genau beschrieben und eingeordnet.

Sie haben in diesem Artikel dann davon gesprochen, dass Sie sich an zwei dienstliche Gespräche mit Stasi-Leuten in Ihrer Eigenschaft als Ratsmitglied in Kamenz erinnern konnten. Warum haben Sie aber die Frage nach früheren dienstlichen Stasi- Kontakten in Ihrem Fragebogen mit „Nein“ beantwortet?


Bei diesen zwei Begegnungen haben sich die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit als solche vorgestellt. Deswegen habe ich gesagt, dass ich mich an diese zwei Gespräche wissentlich erinnere. Mein Verständnis war immer, dass mit den Fragebögen geklärt werden sollte, ob jemand für das MfS gearbeitet hat. Das habe ich nicht getan. Deshalb war meine Antwort „nein“. Das hat ja auch die damalige Gauck-Behörde bestätigt. In der Frage nach dem dienstlichen Kontakt heißt es in der Unterfrage „von wann bis wann“. Damit war nach meiner Auffassung ein länger anhaltender Kontakt gemeint. Deshalb habe ich mit „nein“ geantwortet.

Sie haben auch die Frage nach einem früheren Mandat einer Partei mit „nein“ beantwortet, obwohl Sie mit einem Mandat der CDU im Kreistag gesessen haben.

Ich will nicht darüber diskutieren, ob ein Sitz im Kreistag mit unserem heutigen Verständnis eines Mandats vergleichbar ist. In dem Fragebogen von 1999 habe ich wahrheitsgemäß gesagt, dass ich Stellvertreter für Handel und Versorgung beim Rat des Kreises war. Die Voraussetzung dafür war eine Mitgliedschaft im Kreistag. Deshalb war diese Frage für mich inkludent, das heißt beantwortet.

Hätten Sie nach Ihrer Kenntnis der damaligen Überprüfungspraxis eine Ministerlaufbahn einschlagen können, wenn Sie die Fragen korrekt beantwortet hätten?

Das ist eine hypothetische Frage. Die Menschen in der Region, die mich als Landtagsabgeordneten gewählt haben, kennen mich. Und ich habe natürlich auch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, als er mich 1999 ins Kabinett holen wollte, über meinen Lebensweg gesprochen. Ich stehe zu meiner Biografie.

Manche sagen, mit Ihrer Biografie hätte man im öffentlichen Dienst in Sachsen nicht mal Pförtner werden können ...

Die Sichtweise dazu hat sich seit 1990 verändert. Auch die Fragebögen haben sich verändert. Aber ich sage es ganz deutlich: Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ein solcher Vorwurf ist aus dem Munde von jemandem, der selbst der staatstragenden Partei angehörte, geradezu makaber. Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass jene, die früher Bürgerrechtler waren und Widerstand gegen die DDR geleistet haben, meiner Rolle in der DDR kritisch gegenüberstehen. Aber ich stelle mich auch mit diesem Teil meiner Biografie, genauso wie mit dem in der freiheitlichen Demokratie, am 30. August mit gutem Gewissen zur Wahl.

Der jüngste Vorwurf lautet, Sie seien an unrechtmäßigen Enteignungen im Rat des Kreises Kamenz beteiligt gewesen. Erinnern Sie sich daran?

Die Tagesordnungen bei solchen Kreistagssitzungen sind natürlich sehr lang gewesen. Und es handelte sich um ein Thema, das nicht in meine fachliche Zuständigkeit fiel. Deshalb kann ich mich an eine solche Entscheidung nicht erinnern. Ich gehe davon aus – ohne die Akten zu kennen –, dass aus der entsprechenden Vorlage damals sicherlich nicht hervorging, dass es sich um einen Rechtsbruch gehandelt hat. Aber ich war damals anwesend und habe die Entscheidung mitgetragen, und auch dazu stehe ich.

Wird Ihnen und der CDU die Debatte um Ihre DDR-Vergangenheit bei der Landtagswahl schaden?

Das ist nicht mit Ja oder Nein zu beantworten. Ich spüre bei vielen Bürgern eine innerliche Ablehnung, solche Diskussionen immer wieder aufleben zu lassen. Sie sagen: Das war halt so, das war eine Diktatur, diese Situationen kann man nicht mit denen in einem Rechtsstaat vergleichen. Sicherlich wird es andere geben, die ihre Probleme mit einem solchen Lebenslauf in der DDR haben. Auch das verstehe ich.

Der heftigste Kritiker von Ihnen, Karl Nolle, kommt aus den Reihen der SPD, des Koalitionspartners. Beeinträchtigt das die Chancen für eine Neuauflage der CDU/SPD-Koalition nach der Landtagswahl?

Es gibt andere Gründe, die gegen eine Weiterführung der Koalition mit der SPD sprechen. Aber dass es selbst innerhalb der SPD sehr unterschiedliche Auffassungen über den Umgang mit der DDR-Vergangenheit gibt, zeigt eben, dass diese Materie sehr gegensätzlich bewertet wird.

Das Gespräch führte Matthias Schlegel.

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