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Politik: Saddam kommt wieder

Von Harald Martenstein

Auf BBC habe ich ein Interview mit einem der Verteidiger von Saddam Hussein gehört. Der Mann erzählte, sechs Mitglieder seiner Familie seien unter Saddam umgebracht worden. Sicher, sagte der Verteidiger, Saddam ist ein Verbrecher. Meine Verteidigungsstrategie habe ich auf der Frage aufgebaut, dass man unmöglich nur Saddam vor Gericht stellen kann und nicht auch Bush. Die Führung eines Angriffskrieges ist doch weiß Gott verboten, erinnern Sie sich an die Nürnberger Prozesse. Mir ist keine Ausnahmeklausel bekannt, nach der Völker, die das Pech haben, von einem Diktator regiert zu werden, jederzeit Objekt eines Angriffskrieges sein dürfen. So sprach der Verteidiger.

Seit dem Beginn des Krieges sind 600 000 Iraker umgekommen (Quelle: „The Times“). Natürlich ist es Unsinn, Bush mit Saddam gleichzusetzen. Saddam hat morden lassen, Bush hat lediglich ideale Verhältnisse für Mörder herbeigeführt. Der eine war grausam, der andere dumm. Der eine muss wegen Mordes angeklagt werden, der andere wegen fahrlässiger Tötung.

Jeffrey Gedmin, Direktor des Berliner Aspen-Instituts, schreibt in der „Welt“: „Ich frage mich, weshalb so viele Europäer George W. Bush hassen.“ Lieber Mr. Gedmin, es hängt unter anderem damit zusammen, dass 600 000 Tote ziemlich viele Tote sind, und damit, dass Bush und seine Leute die Wahrheit verdrehen, wo immer sie können. Als ob nicht auch viele Amerikaner Bush hassen würden! Schauen Sie die letzten Wahlen in den USA an. Oder nehmen Sie Wahlen nur zur Kenntnis, wenn das Ergebnis Ihnen in den Kram passt? Gedmin schreibt außerdem: „Fast alle haben geglaubt, dass Saddam Massenvernichtungswaffen versteckt, aber niemand kreischt, Al Gore oder Joschka Fischer hätte gelogen.“ Mr. Gedmin, die Welt hat an Saddams Waffen geglaubt, weil Ihre Leute der Welt mit allerlei Tricks die Existenz dieser Waffen weisgemacht haben. Warum klagt niemand Fischer an? Weil Fischer und Gore keinen sinnlosen Krieg angefangen haben, Bush dagegen schon. Ist das so schwer zu begreifen?

Einer der kreischenden Deutschen hat schon zu Beginn des Krieges vorausgesagt, welches eines Tages der einzige Ausweg aus dem Desaster sein wird: das Comeback von Saddam Hussein. Es wird ein anderer Mann sein, aber der gleiche Typus. Nur ein Diktator könne im Irak für Stabilität sorgen. Wer Demokratie wolle, müsse den Irak in drei Staaten zerlegen, für Schiiten, Sunniten und Kurden, das aber passe den USA nicht ins machtpolitische Konzept. Diese Analyse stammt von Peter Scholl-Latour, 2003.

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