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Saddam-Prozess: Zeuge berichtet von Massenhinrichtungen

Im Prozess gegen den früheren irakischen Staatschef Saddam Hussein wegen Völkermordes an den irakischen Kurden hat erstmals ein Augenzeuge von Massenhinrichtungen berichtet.

Bagdad - Im Gerichtssaal hinter einem Vorhang versteckt erzählte der Mann bei der Anhörung, wie er nach seiner Flucht vor der irakischen Armee in ein Massengrab stolperte und dort Menschen entdeckte, die gerade erst tot oder kurz vor dem Sterben waren. Er berichtete zunächst, ähnlich wie andere Zeugen in dem Prozess, vom Angriff auf sein Dorf, von der Flucht in die Berge, von der Festnahme durch die irakische Armee und von der Gefangenschaft.

Dann schilderte er, wie er mit Massenhinrichtungen konfrontiert wurde. Eines Tages sei er mit seinen Mitgefangenen in einen Lastwagen gesteckt worden, der nach Urin und Fäkalien roch. Auf einer unbefestigten Straße mitten in der Wüste blieb der Lkw im Sand stecken. "In der Ferne haben wir die Schreie und Schüsse gehört", berichtete der Zeuge. "Dann wurde es Nacht. Die Fahrer warfen die Scheinwerfer an, stellten die Gefangenen in drei bis vier Reihen vor dem Lastwagen auf, und die Soldaten eröffneten das Feuer." Einige Gefangene hätten die Soldaten angegriffen, in dem Gerangel sei ihm die Flucht gelungen. Dabei sei er über ein Massengrab gestolpert. "Ich bin auf eine Leiche gefallen, die noch lebte, aber es war ihr letzter Atemzug."

Die Anwälte der Verteidigung waren bei der Anhörung nicht anwesend; die Angeklagten wurden von Pflichtverteidigern vertreten. Das Anwältekollektiv von Saddam Hussein erklärte in Amman, es müsse einige Fragen mit dem irakischen Gericht klären, um über einen möglichen Boykott der Anhörungen zu entscheiden. Die Anwälte haben Kritik am Verfahren geäußert und fordern zudem mehr Zeit für die Prüfung der 10.000 Beweisdokumente der Staatsanwaltschaft.

In dem Prozess muss sich Saddam Hussein zusammen mit sechs Gefolgsleuten wegen Völkermords an nordirakischen Kurden in den Jahren 1987 und 1988 verantworten. Bei der "Operation Anfal" wurden mehr als 180.000 Kurden getötet. Dem ehemaligen Machthaber droht hierfür die Todesstrafe. (tso/AFP)

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