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Sanktionen gegen Iran: Was zieht

Nach den Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gibt es Forderungen nach einem Wirtschafts- und Sportboykott des Landes. Wie wirksam wären Sanktionen gegen Teheran?

Das ist eine der ältesten Fragen des Völkerrechts und der internationalen Politik: Taugen Sanktionen etwas? Und wem "nützen" sie eher: Der Beruhigung empörter westlicher Öffentlichkeiten oder dem Ziel, die Politik eines Landes zu ändern?

Ob ein Embargo einen Staat oder einen seiner Spitzenpolitiker zum Einlenken bewegen kann, darüber streiten Fachleute und Politiker seit vielen Jahren. Die Erfahrungen größerer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen sind ja auch nicht so berauschend: Das EU-Ölembargo gegen Restjugoslawien während des Bosnienkrieges schwächte das Milosevic-Regime kaum - und stärkte dafür den Ölschmuggel und die dafür zuständigen Mafiabanden. An der mit Sanktionen einhergehenden Kriminalisierung leidet auch ein anderes Land bis heute: Irans Nachbar Irak war in den neunziger Jahren ebenfalls umfassenden UN-Sanktionen ausgesetzt. Diktator Saddam Hussein schmerzte das wenig, stattdessen litt vor allem die Bevölkerung unter Versorgungsengpässen.

Und doch: punktuelle Sanktionen können durchaus Erfolge haben - gerade auch in Iran. Darauf weist Peter Rudolf von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hin. Erfolgversprechend seien "intelligente Sanktionen", zum Beispiel ein Reise- oder Flugverbot für bestimmte Politiker, die Erschwerung des Zugangs zu Krediten auf den weltweiten Finanzmärkten oder auch Sportsanktionen, wie der vom Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit vorgeschlagene Ausschluss Irans von der Fußball-WM in Deutschland. "Das kann einer Gesellschaft vor Augen führen, dass das Verhalten ihrer Regierung anstößig ist", erläutert Rudolf - und verweist auf das Beispiel Südafrika. Der jahrelange Sportboykott gegen das Apartheidsregime sei zwar nur einer von vielen Faktoren gewesen, die den Politikwechsel am Kap beförderten. Gesellschaftlich habe er aber "einen Nerv getroffen".

An der Wirksamkeit, aber auch schlicht der Durchsetzbarkeit klassischer Handelssanktionen gegenüber Iran zweifelt SWP-Fachmann Rudolf jedoch. Zum einen habe Iran als viertgrößter Ölanbieter weltweit eine zu starke Stellung auf dem internationalen Energiemarkt. Es sei auch nicht zu erwarten, dass das energiehungrige UN-Sicherheitsratsmitglied China ein solches Embargo unterstützen werde. Und selbst wenn China wider Erwarten zustimmen würde: Ein Ölembargo würde den Ölpreis noch einmal beträchtlich erhöhen - mit allen bekannten, negativen Auswirkungen für die Weltwirtschaft. Auch die deutsche Wirtschaft würde darunter leiden, zumal deutsche Firmen im vergangenen Jahr über 3,5 Milliarden Euro im Mullahstaat umsetzten.

Doch auch "intelligente" Sanktionen müssen erst einmal durchgesetzt und von möglichst vielen Staaten getragen werden, um wirksam zu sein. Das ist im aktuellen Fall nicht zu erwarten: Noch nicht einmal bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm konnten sich die USA und die Europäer bislang auf konkrete Sanktionsdrohungen einigen.

Zumal die Forderung nach einem Sportboykott hier zu Lande nicht auf großes Interesse stößt: 57 Prozent der Deutschen lehnen laut einer Emnid-Umfrage einen WM-Ausschluss der iranischen Fußballer ab. "Wir können nicht die Fußballer darunter leiden lassen, wenn ein Staatspräsident politisch daneben liegt", begründet Peter Danckert (SPD), Vorsitzender des Sportausschusses des Bundestages, die Zurückhaltung gegenüber einem Sportboykott. Dieser wird übrigens auch vom Fußball-Weltverband Fifa kritisch gesehen. (Von Sebastian Bickerich)

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