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McCain und Palin

© AFP

Sarah Palin im Interview: Krieg um Georgien nicht ausgeschlossen

Sarah Palin hat in ihrem ersten Fernsehinterview als Vizepräsidentschaftskandidatin deutlich gemacht, wo sie steht: An der Seite der militärischen Hardliner. Ein Krieg um Georgien sei möglich, für einen Einsatz im verbündeten Pakistan - in dem auch Osama Bin Laden vermutet wird - halte sie sich alle Optionen offen.

Ein wenig erinnerte die Begegnung an eine Prüfungssituation, wie sie jeder Schüler kennt. Der Prüfling war am Donnerstagabend die republikanische Vizekandidatin Sarah Palin, die sich erstmals seit ihrer Nominierung einem Fernseh-Interview stellte. Tagelang hatte ein Reigen hochkarätiger Experten die junge Alaska-Gouverneurin vorbereitet, die die Herzen vieler Wähler im Sturm gewann, politisch aber wenig Erfahrung hat. Für das Wahlvolk in den USA war es die erste Gelegenheit zur Einsichtnahme in Palins Vorstellungen. Anders als in ihren kecken Reden ließ sie in dem Interview Unsicherheiten erkennen, vermied aber einen Fauxpas, wie ihn sich die verunsicherten Demokraten um Barack Obama erhofft haben mögen.

Denn bei den Demokraten steigt die Nervosität. Mit der überraschenden Nominierung von Sarah Palin als Vize-Kandidatin vor zwei Wochen hat der Wahlkampf eine neue Wendung genommen. Getragen von der Palin-Welle hat Kandidat John McCain in Umfragen seinen Rivalen Obama knapp überrundet. Palin erzeugt bei der Parteibasis eine Begeisterung, wie sie McCain in diesem Wahlkampf noch nicht erlebt hat. Kamen zu seinen Solo-Kundgebungen früher nur einige hundert Anhänger, ziehen die Auftritte mit ihr nun oft mehr als zehntausend Neugierige an. Palin wirkt wie eine Energie-Spritze für die Partei, die durch lange Jahre an der Macht ausgezehrt schien.

Interviews hat Palin seit ihrem Auftauchen im Wahlkampf bislang vermieden. Körperhaltung und schnelles Sprechtempo verrieten Anspannung, als sie den ABC-Moderator Charles Gibson zum Gespräch empfing. Ein wenig ins Schleudern kam sie, als Gibson sie nach ihrer Unterstützung für die "Bush-Doktrin" fragte. "In welcher Hinsicht, Charlie?", entgegnete sie. Gibson klärte auf, dass diese Doktrin das Recht zu präventiven Angriffen der USA auf andere Länder meine. Palin reagierte mit Kritik an der Planung des Irak-Einsatzes durch den republikanischen Präsidenten George W. Bush: "Da gab es Pfusch, und es gab Fehler", sagte sie - und dürfte damit die Stimmung der kriegsmüden Öffentlichkeit getroffen haben.

Ja gesagt, ohne mit der Wimper zu zucken

Aus ihren Ausführungen zum Umgang mit Russland war die Linie des Hardliners McCain herauszuhören. Palin forderte den Beitritt Georgiens und der Ukraine zur Nato. Als Gibson fragte, ob dies bei einer militärischen Invasion Moskaus in einem Nato-Land wie Georgien Krieg mit Russland bedeuten würde, sagte sie: "Vielleicht". Auf Gibsons Frage, ob sie militärische Anti-Terror-Einsätze beim Verbündeten Pakistan befürworte, wich sie mehrfach aus. "Ich gehe hier in einem Wirbelsturm aus Worten verloren", beschwerte sich Gibson. "Wir müssen uns alle Optionen offenhalten", schob Palin nach. Für das Vize- und das Präsidentenamt halte sie sich auf jeden Fall befähigt, stellte Palin klar. Als McCain ihr die Kandidatur anbot, "habe ich Ja gesagt, ohne mit der Wimper zu zucken".

Den Demokraten dürfte Palin mit dem Interview erneut die Schau gestohlen haben. "Sarah Palin hat ganz offensichtlich die Wirkung erzielt, die John McCain durch ihre Nominierung erhofft hatte", urteilt der Demoskop Peter Brown vom Umfrageinstitut der Universität Quinnipiac in New York. Seit ihrer Nominierung haben Meinungsforscher ungewöhnlich starke Umschichtungen in der Wählergunst entdeckt. Mit Palin machen die Republikaner den Demokraten ihre weibliche Stammwählerschaft streitig, und auch Obamas erfolgreiches Wahlmotto von Wandel und Neubeginn hat McCains Kampagne inzwischen übernommen, verkörpert durch Palin frisches Auftreten.

Obama hat bislang noch nicht herausgefunden, wie er die Power-Frau entzaubern kann, ohne als politischer Macho dazustehen. "Das ist mehr als einfach nur zunehmende Angst", beschreibt Bill Clintons früherer Chef-Demoskop Doug Schoen im Internetmagazin "Politico" die Stimmung in der Partei. "Es ist greifbare Frustration und tief sitzendes Unbehagen darüber, dass sie die Initiative verloren haben." Ein namentlich nicht genannter Großspender der Demokraten wird zitiert mit den Worten: "Ich bin so deprimiert, es ist ein Albtraum."

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