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Martin Sonneborn

© dpa

Satire-Partei im Europaparlament: Martin Sonneborn: Wir sind genauso habgierig wie die anderen

Der Satiriker und Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn hat es für Die Partei ins Europaparlament geschafft. Er und seine Freunde wollen dort nun Irre und Verhaltensauffällige unter ihrer Fahne versammeln, kündigt er im Interview an.

Von Matthias Meisner

Herr Sonneborn, endlich Politiker – sind Sie glücklich?

Ich bin doch schon seit zehn Jahren Politiker. Wir haben 2004 Die Partei gegründet, um das Schröder-Regime zu stürzen. Da ging es los.

Aber Sie haben es nie in ein Parlament geschafft.

Ich persönlich nicht. Doch wir hatten schon Leute zum Beispiel in der Bürgerschaft von Lübeck oder in den Kommunalparlamenten von Krefeld und Leverkusen. Aber ich bin natürlich Politiker, weil ich um die Belange des deutschen Volkes sehr besorgt bin und mich schon lange mit politischen Vorgängen beschäftige.

Was werden Sie in Brüssel zuerst tun?

Ich werde meinen Rücktritt planen, vier Wochen lang. Ich habe versprochen, dass ich nach einem Monat zurücktrete. Durch ein ausgeklügeltes Rücktritts- und Rotationsverfahren werden wir im Monatsrhythmus insgesamt 60 verdiente Parteikader durch das EU-Parlament schleusen. Das sind alles Leute, die seit zehn Jahren in der Partei Politik machen. Zum Dank bekommen sie nun in Brüssel einen schönen Urlaubsmonat. Mit 33 000 Euro Taschengeld und weiteren Annehmlichkeiten.

Haben Sie überhaupt genug Leute auf der Liste?

Selbstverständlich. Wir haben 64 Leute. 60 Leute schaffen wir, wenn wir monatlich wechseln, in fünf Jahren. Falls jemand es nur zwei Wochen in Brüssel aushält, haben wir noch vier Nachrücker zusätzlich.

Sie wollen die EU also melken, wie Sie erklärt haben. Und gar nichts abgeben von dem vielen Geld, das Sie und Ihre Parteifreunde bald bekommen?

Wieso sollte ich was abgeben?

Zum Beispiel, um armen Menschen zu helfen?

Ich glaube nicht, dass wir durch große Spendierfreudigkeit auffallen. Wir sind genauso habgierig wie die Politiker der anderen Parteien, vielleicht sogar noch habgieriger, weil wir zehn Jahre lang ohne staatliche Parteienfinanzierung auskommen mussten. Natürlich kann jeder auch gern die Hälfte seiner Diäten spenden, aber das wird nicht von oben verfügt.

Werden Sie in Brüssel mutmaßlich Freunde finden, Grüne, Piraten, Linke? Sich vielleicht einer Fraktion anschließen?

Wir streben eine eigene Fraktion an, die der Irren und Verhaltensauffälligen.

Da können Sie die Rechtspopulisten gut dazuholen.

Die nun genau nicht. Wir wollen Irre und Verhaltensauffällige außerhalb der Rechtspopulisten unter unserer Fahne. Das Bundesverfassungsgericht hat uns hier sehr geholfen mit seinem Urteil gegen die Dreiprozenthürde. Dass das in Brüssel ein minderbedeutendes Parlament ist, eine Art Spaßparlament, wird ja auch charakterisiert durch die Typen, die da herumsitzen. Ich möchte mich bei den Richtern für dieses Urteil hier noch einmal sehr herzlich bedanken.

Viele haben den Eindruck, Sie und Die Partei nehmen die Sache gar nicht ernst. Jetzt doch eine ausdrücklich ernste Frage: Haben Sie eine Strategie gegen die Rechtsextremisten und Rechtspopulisten?

Unsere Strategie formt sich immer punktuell. Wir setzen uns in Wahlkämpfen durchaus mit der NPD und solchen Konsorten auseinander. Es ist bekannt, dass wir mit satirischen Mitteln arbeiten. Ansonsten gibt es natürlich auch bei uns einen authentischen Willen zur Macht.

Welche Rolle spielt Eitelkeit?

Wahrscheinlich sind Politiker genauso eitel wie Journalisten. Aber es ist nicht in erster Linie Eitelkeit, die einen ins Parlament treibt. Sondern einfach die Gier nach Geld und politischer Bedeutung. Und natürlich liegt uns das Wohl des deutschen Volkes sehr am Herzen.

In Ihrem Wahlprogramm steht, dass Sie eine Mauer um die Schweiz errichten wollen. Wieso die Schweiz, warum nicht den Eisernen Vorhang wieder hochziehen?

Vielen Dank, dass Sie das ansprechen. Das ist tatsächlich eine zweite Idee. Wir sind für die Teilung. Wir glauben, dass ein neuer Eiserner Vorhang die Chance bietet für ein konkurrierendes System zu dem kapitalistischen, in dem wir leben.

Auf welcher Seite würden Sie dann leben wollen?

Ich habe Gregor Gysi mal in einem Thekengespräch gefragt, ob er ein kommunistisches Schreckensregime im Osten anführen würde, wenn wir Deutschland wieder teilen. Er hat gesagt, er würde auf jeden Fall im Westen bleiben und hat mich gebeten, das im Osten zu übernehmen. Darauf haben wir uns geeinigt.

Martin Sonneborn (49) ist Journalist und Satiriker. Bei der Europawahl trat der gebürtige Göttinger als Spitzenkandidat der Partei für Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, kurz Die Partei, an. Für Sonneborn stimmten am Sonntag rund 180 000 Bürger in Deutschland, das entspricht 0,6 Prozent der Stimmen und reichte für einen Sitz im Europäischen Parlament. Das Gespräch führte Matthias Meisner.

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