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Politik: Saubere Trennung

Bund und Länder reden jetzt darüber, wie weit politische Zuständigkeiten entzerrt werden können – ohne den Bundesstaat zu gefährden

Der Satz ließ aufhorchen: Die Föderalismuskommission werde scheitern, drohte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am vorigen Freitag im Bundesrat, wenn einige Länder (gemeint war vor allem Hessens Ministerpräsident Roland Koch) die Neuregelung des Bund-Länder-Verhältnisses als eine Machtfrage betrachteten. Offenbar stehen die Gespräche über die Reform des Bundesstaates nicht unter einem guten Stern. Die Regierenden in Berlin sind nervös, die Opposition wittert Morgenluft. Tagespolitik dominiert. Da rückt das Ziel einer Verfassungsreform weit nach hinten auf der Agenda. Schon gibt es erste Zweifel, ob der große Wurf gelingt. Bislang bestimmen die Länder mit ihren Anliegen die Runde. Der Bund dagegen hält sich in den bisherigen Debatten eher zurück. Dabei sollen Ergebnisse der Reformrunde unter Leitung von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) – offiziell Bundesstaatskommission genannt – schon bis zum Sommer vorliegen.

Der Stuttgarter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU), der eine große Reform fordert, ist weiterhin vorsichtig optimistisch. „Die Kommissionsarbeit beginnt sich auf der Basis von Diskussionspapieren zu konkretisieren", sagte Teufel dem Tagesspiegel. „Erste Annäherungen in den Bereichen Kompetenzübertragung und Neuordnung der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen im Bundesrat zeichnen sich ab." Die Frage ist nur: Reichen dem Bund die Zugeständnisse bei der Zustimmungsbedürftigkeit, und ist er bereit, Kompetenzen bei der Gesetzgebung im nennenswerten Umfang abzugeben?

In den Ländern gibt es durchaus Vorstellungen, wie man die Zuständigkeiten neu verteilen könnte. Eine Arbeitsgruppe der Kommission macht sich darüber Gedanken. Unter anderem dient ein Papier, zusammengestellt von Baden-Württemberg und Berlin, als Grundlage. Dabei geht es um eine klare Trennung von Zuständigkeiten. Das ist eine neue Entwicklung, weil die Länder bis vor kurzem ihre Lieblingsidee propagierten: mittels „Zugriffsrechts“ auf Bundesgesetze wollten sie in einem gewissen Rahmen nach eigenem Gutdünken von Bundesgesetzen abweichen dürfen. Allerdings stieß diese Idee bei den Sachverständigen in der Kommission auf mehr Skepsis als Zustimmung.

Daher dreht sich die Debatte jetzt in Richtung strikter Entflechtung. Das Ziel ist, mehr regionale Flexibilität zu erreichen und die zentralstaatliche Zwangsjacke abzustreifen. So könnten die Länder wieder alleiniger Dienstherr ihrer Beamten werden, bis hin zur Besoldung. Ein Zustand übrigens, der bis in die 60er Jahre Normalität war. Die Zuständigkeit für Kultur und Bildung, nicht zuletzt für die Hochschulen, könnte ausnahmslos an die Länder gehen.

Die größte Brisanz freilich steckt im dritten Bereich, in dem zumindest ein Teil der Länder wieder mehr entscheiden möchte und der mit dem Verfassungsparagraphen kollidiert, der auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zielt. Wie viel regionale Unterschiedlichkeit aber verträgt der Bundesstaat? So lautet die Leitfrage. Und die dreht sich darum, ob die Länder künftig etwa zuständig sein sollen für die soziale Sicherung, regionale Wirtschaftshilfen, die Arbeitsmarktpolitik (das Arbeitsrecht wird nicht ausgeklammert), Naturschutz, Raumordnung. Die Frage, die dahinter steckt: Wie weit kann man gehen, ohne die von allen gewünschte Rechts- und Wirtschaftseinheit zu gefährden? Verbunden damit ist aber auch eine weitere Frage: Wie weit muss man gehen, um die Innovationskraft, die im Föderalismus steckt, zu nutzen? Oder: Wie viel föderaler Wettbewerb ist förderlich?

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