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Sauerland-Gruppe: Party mit Autobomben

Auftakt im Düsseldorfer Prozess gegen die Sauerland-Gruppe: Die Anklageschrift wirft den Männern Anschlagspläne auf US-Bürger vor. Das Ziel der Terroristen sei es gewesen, so viele Menschen wie möglich zu töten.

Von Frank Jansen

Er blickt wilder drein als die Mitangeklagten, und er gibt gleich zu Prozessbeginn den Rebellen. Als die Richter den Saal betreten, bleibt Adem Yilmaz sitzen. Er behält die weiße Häkelmütze auf dem Kopf, grinst und zupft an seinem Vollbart. Die drei anderen Angeklagten Fritz Gelowicz, Daniel Schneider und Atilla Selek, auch sie bärtig, sind aufgestanden. Schneider hat seine weiße Häkelkappe abgenommen. So sitzen sie im Saal 1 des Hochsicherheitsgebäudes des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Die Hauptverhandlung gegen die Sauerland-Gruppe startet, wie es zu erwarten war, mit einem Eklat – aber nur einem kleinen.

Als der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling Yilmaz Ordnungshaft androht, zieht der die Mütze von seiner Glatze. Doch dann steht er wieder nicht auf, als der Senat die Dolmetscher vereidigt. Nun beantragt Bundesanwalt Volker Brinkmann drei Tage Ordnungshaft. Die Richter wollen jedoch später entscheiden. Breidling möchte, gewohnt energisch, die Verhandlung zügig fortsetzen, mit Verlesung der zwei umfangreichen Anklagen (Selek wurde später und separat angeklagt) in einem der größten Terrorverfahren seit der Wiedervereinigung.

Die vier Männer seien von der Vorstellung „getrieben“ gewesen, „in Deutschland die Feinde des Islam, insbesondere amerikanische Staatsbürger und US-amerikanische Einrichtungen, zu vernichten“, trägt Brinkmann vor. Die Gruppe habe „die Ausmaße der Anschläge vom 11. September 2001“ erreichen wollen. Nach Brinkmann liest Staatsanwalt Ralf Setton aus der Anklageschrift. Er wirft den Männern vor, sie hätten Autobomben herstellen wollen – die an „von Amerikanern besuchten Zielobjekten“ explodieren sollten. Die geplanten Anschläge hätten sie als „Party“ umschrieben. Fritz Gelowicz, den die Bundesanwaltschaft für den Rädelsführer hält, habe beabsichtigt, einen Sprengsatz für einen Anschlag auf eine von Amerikanern besuchte Diskothek „mit Schrauben und dicken Muttern auszustatten, um durch die große Splitter- und Streuwirkung möglichst viele Opfer zu töten“. Die Angeklagten hören weitgehend reglos zu. Yilmaz grinst wieder.

Für die Bundesanwaltschaft ist klar, dass die Angeklagten im Jahr 2006 in Pakistan in Camps der usbekischen Terrororganisation Islamic Jihad Union (IJU) gedrillt wurden. In deren Auftrag sollen sie in Deutschland Anschläge vorbereitet haben. Anfang September 2007 wurden Gelowicz, Schneider und Yilmaz im Sauerland festgenommen, wo sie in einer Ferienwohnung Bomben zu basteln versuchten. Die Türkei lieferte Selek im November 2008 aus.

Angesichts der schweren Vorwürfe, für die es dank der umfangreichen Observation der Gruppe durch die Sicherheitsbehörden viele Belege gibt, haben die Verteidiger einen schweren Stand. Doch sie greifen an. Die Anwälte von Gelowicz und Schneider behaupten, ihren Mandanten sei die IJU bis zu Presseberichten im Mai 2007 nicht bekannt gewesen. Nach Ansicht der Verteidiger von Yilmaz und Selek existiert die IJU überhaupt nicht. Bundesanwalt Brinkmann bleibt gelassen. Dass die Angeklagten geglaubt haben könnten, sie seien in Pakistan bei Al Qaida statt bei der IJU gelandet, „ist abwegig“.

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