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Politik: Schadensersatzrecht: Weniger Hürden für Schmerzensgeld

Die Bundesregierung will den gesetzlichen Anspruch auf Schmerzensgeld ausweiten und so Opfer von Unfällen oder fehlerhaften Produkten besser stellen. Künftig soll Schmerzensgeld auch Geschädigten zugute kommen, ohne dass den Schädiger, wie bisher, ein individuelles Verschulden treffen muss.

Die Bundesregierung will den gesetzlichen Anspruch auf Schmerzensgeld ausweiten und so Opfer von Unfällen oder fehlerhaften Produkten besser stellen. Künftig soll Schmerzensgeld auch Geschädigten zugute kommen, ohne dass den Schädiger, wie bisher, ein individuelles Verschulden treffen muss. Es soll zum Beispiel ausreichen, dass er das Opfer einer Gefahr ausgesetzt hat. Dies kündigte Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) am Dienstag in Berlin an. Der allgemeine Schmerzensgeldanspruch ist Teil einer umfassenden Reform des Schadensersatzrechts, den das Kabinett am Montag beschlossen hatte.

Schmerzensgeld wurde bisher fast ausschließlich in Fällen so genannter Deliktshaftung gezahlt. Man konnte es nur verlangen, wenn man dem Schädiger Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei seinem Verhalten nachwies. Jetzt soll der Anspruch auch auf die so genannte Gefährdungshaftung ausgedehnt werden. Dies bedeutet: Wer ein Risiko schafft - etwa die Herstellung einer gefüllten Sprudelwasserflasche - soll Schmerzensgeld zahlen müssen, wenn sie in den Händen eines Verbrauchers explodiert und dieser verletzt wird. Bislang beschränkte sich die Haftung in diesen Fällen auf Schadensersatz. Nach den Vorstellungen Däubler-Gmelins sollen außerdem Opfer sexueller Belästigung einen Anspruch auf Schmerzensgeld erhalten. "Den Streit um Bagatellen wollen wir jedoch vermeiden", sagte sie. Deshalb soll der neue Anspruch in allen Schadensbereichen nur bei "nicht unerheblichen" Fällen bestehen.

Kinder haften später

Ferner sollen die Höchstsummen für Schadensersatz und Schmerzensgeld heraufgesetzt werden. Da sie nicht nur bei Produkten gilt, sondern auch etwa für Tierhalter sowie im Straßen- oder Luftverkehr, werden dafür Korrekturen in den einzelnen Gesetzen nötig. Däubler-Gmelin zufolge seien die Beträge zum Teil seit mehr als 20 Jahren nicht mehr angepasst worden. So soll die Höchstgrenze für einen Personenschaden im Straßenverkehr von 500 000 Mark auf 600 000 Euro angehoben werden. Eingeschränkt werden soll die Haftung von Kindern im Straßenverkehr. "Studien haben erwiesen, dass Kinder erst ab zehn Jahren begreifen, was im Verkehr vor sich geht". Bislang konnte Kinder ab sieben Jahren für Unfälle mitverantwortlich gemacht werden.

Für die Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen besonders bedeutsam sind Änderungen bei der "fiktiven Abrechnung". Sie ermöglicht dem Geschädigten, Reparaturkosten auf der Basis von Schätzgutachten zu ermitteln und den Betrag als Schadensersatz geltend zu machen, statt eine Werkstattrechnung vorzulegen. Beide Möglichkeiten sollen zwar erhalten bleiben. Künftig wird es jedoch ausgeschlossen, bei der fiktiven Abrechnung Umsatzsteuern auszuweisen. Dies habe in der Vergangenheit zur "Überkompensation" von Schäden geführt, sagte Däubler-Gmelin.

Eine weitere Neuerung betrifft die Haftung für Arzneimittel. Mussten bisher die Geschädigten nachweisen, dass dem Hersteller ein Fehler unterlaufen war, wird die Beweislast künftig umgekehrt. Klägern in einem Verfahren gegen den Bayer-Konzern wegen des Cholesterinmittels Lipobay hilft dieses Gesetz jedoch nicht, da es nicht rückwirkend gilt.

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