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Finanzminister Wolfgang Schäuble.

© Reuters

Schäubles überraschende Wende: Koalition will jetzt doch mehr investieren

Nach der neuesten Steuerschätzung kündigt der Bundesfinanzminister an, zehn Milliarden mehr investieren zu wollen. Allerdings erst ab 2016. Im kommenden Jahr hat die schwarze Null Vorrang.

Es war eine überraschende Ankündigung: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat am Donnerstag zusätzliche Investitionen des Bundes in Höhe von zehn Milliarden Euro vorgeschlagen. Die schwarz-rote Koalition, die sich seit Monaten geziert hat, wenn es um das Verlangen nach höheren Investitionen ging, will jetzt doch mehr Geld ausgeben, als sie im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Allerdings noch nicht im kommenden Jahr. Erst in den Jahren 2016 bis 2018 sollen die zehn Zusatzmilliarden fließen. Schäuble sagte bei der Vorlage der aktuellen Steuerschätzung, dass er diesen neuen Investitionsrahmen dem Kabinett vorlegen werde. Mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) habe er sich schon abgestimmt. Ziel sei es, dass mit den Maßnahmen ein „möglichst starker Effekt für Folgeinvestitionen erzielt werden kann“. Details nannte Schäuble allerdings nicht. Zusätzlich verwies er aber darauf, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in der kommenden Woche eine Vereinbarung mit der Deutschen Bahn treffen werde, die höhere Investitionen des Staatskonzerns zum Ziel habe.

SPD sieht sich bestätigt

Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider begrüßte die Ankündigung Schäubles. Der Finanzminister sei damit angesichts der sich eintrübenden konjunkturellen Entwicklung den Forderungen der SPD entgegengekommen. Dies sei ein „erster Schritt“, um die Ausrichtung des Koalitionsvertrages für mehr Wachstum und Investitionen zu verstärken. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und neuerdings Gabriel-Berater, sagte, die öffentlichen Investitionen in Deutschland seien deutlich zu niedrig und schwächten die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Vorsicht sei jedoch geboten: "Diese Gelder müssen auch in die richtigen Investitionsprojekte fließen. Priorität sollten Projekte im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und in der Bildung haben." Die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe sagte, die angekündigten zehn Milliarden seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Für eine echte Belebung der Wirtschaft sind höhere Beträge notwendig."

Signal an EU-Partner

Die Ankündigung Schäubles kann als Signal an die europäischen Partner gewertet werden, dass Deutschland mehr für die Stützung und Ankurbelung der Konjunktur in den nächsten Jahren tun will. Schäuble bezeichnete den Milliardenplan als Teil des von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angeregten Ausgabenprogramms. Die Bundesministerien und die Bundestagsfraktionen forderte er auf, „strikte Ausgabendisziplin“ zu wahren, um die zehn Milliarden Euro Mehrausgaben über drei Jahre hinweg im Etat freimachen zu können. Der Haushalt für 2015 wird derzeit im Parlament beraten.
Neue Schulden will Schäuble für die Mehrinvestitionen nicht machen. Er geht nach der Steuerschätzung weiterhin davon aus, dass die Bundesregierung ihr Ziel, ab 2015 ohne neue Kredite auszukommen, einhalten kann. „Wir halten, was wir versprochen haben“, sagte der Finanzminister. Allerdings müssen Bund, Länder und Kommunen mit geringeren Einnahmen planen als noch im Mai geschätzt. Gegenüber der letzten Prognose sinken die Erwartungen für 2015 von 666,6 Milliarden Euro auf 660,2 Milliarden. Für die Folgejahre müssen die Planzahlen entsprechend gesenkt werden, weil die Basis der Schätzungen – die offizielle Wachstumsprognose der Bundesregierung – im Oktober deutlich um einen halben Prozentpunkt zurückgenommen worden ist. Sie geht jetzt nur noch von 1,2 Prozent Wachstum in diesem und 1,3 Prozent im kommenden Jahr aus.

Steuerschätzung im Detail

Zwar werden die Steuereinnahmen in diesem Jahr gegenüber der vorigen Schätzung vom Mai wohl um eine Milliarde Euro steigen – von knapp 640 auf etwa 641 Milliarden Euro. Doch bis 2018, dem aktuellen Planungszeitraum, muss der Fiskus mit insgesamt 20,9 Milliarden Euro weniger rechnen als bisher gedacht. Trotz der reduzierten Erwartungen werden die Einnahmen des Staates aber nicht sinken – der Zuwachs insgesamt bis 2019 liegt nach wie vor deutlich über den Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt und der erwarteten Inflationsrate. Verglichen mit den tatsächlichen Einnahmen im Jahr 2013 werden die Steuereinnahmen nach der Steuerschätzung um mehr als 22 Prozent zulegen – von knapp 620 Milliarden Euro auf mehr als 760 Milliarden Euro. Das sind im Schnitt etwa 3,5 Prozent mehr pro Jahr.

Bund kommt ganz gut weg

Schäuble zeigte sich am Donnerstag ganz zufrieden. Kein Wunder: Der Bund kommt im kommenden Jahr relativ glimpflich davon. Schäuble muss nur mit einem Minus von 500 Millionen Euro gegenüber der letzten Schätzung kalkulieren – was er vorsichtigerweise schon im Haushaltsansatz bedacht hat. Der Grund für das geringe Minus liegt vor allem in Brüssel: Die Zuweisungen Deutschlands an die EU fallen um 2,1 Milliarden Euro niedriger aus. Das liegt aber wiederum daran, dass das Wachstum der deutschen Wirtschaft geringer ausgefallen ist als vorhergesagt – die Zahlungen an die EU richten sich unter anderem an den Wachstumsprognosen aus.
Schäuble erwartet allerdings auch steigende Sozialausgaben, etwa weil mit einem Plus von 1,2 Milliarden Euro bei den Leistungen für Bedarfsgemeinschaften bei Hartz-IV-Empfängern zu rechnen sei. Dem Bund und den Ländern kommt freilich entgegen, dass die Zinsausgaben in den kommenden Jahren weiter nach unten tendieren werden – Schäuble erwartet niedrige Zinsen bis über 2016 hinaus.
Die Länder müssen ihre Einnahmeerwartungen deutlicher korrigieren als der Bund. Sie können für 2015 mit knapp 260 Milliarden Euro rechnen, nach erwarteten 262,5 Milliarden aus der Schätzung im Mai. Bei den Kommunen geht die aktuelle Schätzung von 1,2 Milliarden Euro weniger aus, es sollen nun noch 90,2 Milliarden Euro sein. Was aber gegenüber den tatsächlichen Einnahmen von 2013 – damals waren es 84,5 Milliarden Euro – immer noch eine deutliche Steigerung ist. Der Deutsche Städtetag wies jedoch darauf hin, dass nun schon zum zweiten Mal in Folge die Schätzung habe verringert werden müssen.

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