zum Hauptinhalt

Politik: Scharfer Wind aus Osten

Die konservativen Wahlsieger in Polen schlagen gegenüber Deutschland einen härteren Ton an

Eine Verschnaufpause im Dauer-Wahlkampf wird den politikmüden Polen auch nach den Parlamentswahlen am Sonntag nicht vergönnt. Bereits zu Wochenbeginn stellten sich die beiden aussichtsreichsten Präsidentschaftsanwärter der nationalkonservativen PiS und der rechtsliberalen PO zum TV-Duell. Obwohl auch im Präsidentschaftswahlkampf die heimischen Themen dominieren, setzen die Spitzenkandidaten Lech Kaczynski (PiS) und Donald Tusk (PO) außenpolitisch völlig unterschiedliche Prioritäten. Seine erste Amtsreise werde ihn „natürlich“ nach Washington führen, so Kaczynski: „Die USA sind unser wichtigster strategischer Partner.“ Er werde zuerst nach Deutschland und Frankreich reisen, kündigt Tusk an: „Unsere Zukunft liegt in Europa.“

Nach dem Triumph der von den Zwillingsbrüdern Jaroslaw und Lech Kaczynksi geführten Nationalkonservativen bei der Parlamentswahl macht sich nicht nur in Berlin die Sorge vor einer außenpolitischen Kurskorrektur Warschaus breit. Im Wahlkampf hatte Lech Kaczynski den EU-Partner Deutschland neben Russland gar als die „größte Gefahr“ für Polen bezeichnet. Die patriotischen Eiferer der PiS waren im vergangenen Jahr auch die Initiatoren der einstimmig verabschiedeten Parlamentsresolution, die die eigene Regierung zur Eintreibung angeblich noch ausstehender Kriegsreparationen von Deutschland mahnte. Doch heimische Politologen rechnen damit, dass die PiS in der künftigen Koalition mit der PO außenpolitisch deutlich pragmatischere Töne anschlagen werde.

Wie sich die deutsch-polnischen Beziehungen künftig gestalteten, hänge neben dem Ausgang der polnischen Präsidentschaftswahl auch von der Regierungsbildung in Deutschland ab, glaubt Jakub Boratynski, Europadirektor der Warschauer Batory-Stiftung: Eine CDU-geführte Koalition, die eine etwas distanziertere Haltung zu Moskau einnehme, werde bei der neuen konservativen Regierung in Warschau sicherlich auf mehr Sympathie stoßen als Kanzler Gerhard Schröder. Zwar sei mit der PiS eine gewisse „Verschärfung“ des Tons gegenüber Berlin vor allem bei der Debatte um das umstrittene Zentrum gegen Vertreibungen nicht auszuschließen. Doch das Amt des Außenministers werde vermutlich ohnehin von der gemäßigten PO besetzt. Er sei „optimistisch“, dass die scharfe Rhetorik der PiS im Wahlkampf einer realistischen Außenpolitik weichen werde.

Die von der PiS in der Opposition hochgekochte Frage der Kriegsreparationen werde nach dem Machtwechsel eine untergeordnete Rolle spielen, glaubt Tomasz Dabrowski, Deutschlandexperte am Zentrum für Internationale Beziehungen: Die PiS habe damals das Thema auch zur innenpolitischen Auseinandersetzung mit der Linksregierung instrumentalisiert. Eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Nachbarschaftsverhältnisses werde der künftige Außenminister spielen: Die PO, die diesen vermutlich stellen werde, unterhalte enge Bande zu CDU/CSU. Obwohl auch Dabrowski von der PiS nach dem Wechsel auf die Regierungsbank einen pragmatischeren Kurs erwartet, hält er deren geringe außenpolitische Kompetenz für ein Manko. Beide Parteien setzen auf eine Verstärkung der engen Beziehungen zu den USA. Die PO legt die Priorität aber auf die Europapolitik. Zu Europas Bremsklotz jedoch werde Polen nach dem Machtwechsel sicherlich nicht werden: „Es sind die alten EU-Mitglieder, die sich in Europa derzeit selber bremsen.“

Als künftigen Regierungschef nominierten die Koalitionäre am Dienstag den Wirtschaftsexperten Kazimierz Marcinkiewicz von der PiS. Der 45-Jährige gilt als Befürworter vorsichtiger Wirtschaftsreformen.

Thomas Roser[Warschau]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false