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Politik: Scharon kann Abzugsplan durchsetzen

Große Koalition in Israel stützt den Premier – Peres wird wieder Stellvertreter

Israel hat wieder eine Regierung mit breiter parlamentarischer Mehrheit. LikudParteichef und Ministerpräsident Ariel Scharon, der lange Zeit einer Minderheitsregierung vorstand, wird nun eine große Koalition anführen und kann deshalb seine in der eigenen Partei umstrittenen Rückzugspläne aus den Palästinensergebieten im Gazastreifen und im Westjordanland umsetzen. Der fünften großen Koalition in der Geschichte Israels waren harte Verhandlungen vorangegangen.

Weil sich die Arbeitspartei-Fraktionschefin Dalia Itzik über Scharon und dessen Likud-Partei lustig gemacht hatte, ordnete der Regierungschef den Abbruch der Koalitionsverhandlungen an. Doch schon kurze Zeit später einigten sich die Anwälte beider Parteien auf eine sofortige Wiederaufnahme der Verhandlungen – ohne Itzik. Nach sieben Stunden Verhandlungen war die neue „Regierung der Nationalen Einheit“ – in Wirklichkeit zumindest vorläufig nur eine Koalition der beiden größten Parteien – in der Nacht zum Samstag perfekt. Bereits am heutigen Sonntag soll das Koalitionsabkommen unterschrieben werden. Am Montag wird sich das Zentralkomitee der Arbeitspartei über den Wahlmodus der Minister streiten, am Mittwoch folgt die Wahl und am Donnerstag präsentiert sich die neue Regierung in der Knesset zur Vertrauensabstimmung. Paralell sollen zu Wochenbeginn auch die Koalitionsverhandlungen zwischen Likud und dem ultrareligiösen Thora-Judentum abgeschlossen werden, während die ebenfalls ultrareligiöse Schas der sephardischen Juden definitiv außen vor bleibt.

Arbeitsparteichef Schimon Peres wird als Stellvertreter des Ministerpräsidenten mit Scharon ein Führungsduo bilden. Dessen wichtigste Aufgabe wird die Umsetzung des Loslösungsplanes sein: Das heißt, bis zum Ende des Sommers 2005 alle Siedlungen im Gazastreifen und nördlichen Westjordanland zu räumen und bis spätestens Winteranfang 2005 auch den Truppenabzug aus diesen Gebieten zu vollziehen. Am Samstag bezog Peres in einem Interview mit der Pariser Zeitung „Le Figaro“ eindeutig Stellung. Darin bezeichnete er den Bau jüdischer Siedlungen in den Palästinensergebieten als historischen Irrtum. „Man kann die Karte der Siedlungen unmöglich in die Karte des Friedens einbeziehen“, sagte Peres. Laut Peres sind die Chancen für eine Auflösung der Siedlungen derzeit so gut wie nie zuvor. „Für den Frieden muss man etwas riskieren“, fügte er hinzu.

Die Arbeitspartei hatte stets gefordert, dass die Loslösung nicht einseitig erfolgen dürfe, wie von Scharon anvisiert, sondern in Koordination mit den Palästinensern zu erfolgen habe. Donnerstagnacht erklärte sich Scharon erstmals seit Jassir Arafats Tod öffentlich zu Koordinationsgesprächen über den Rückzug bereit. Mit Blick auf die palästinensischen Präsidentschaftswahlen am 9. Januar sollen diese nun bereits nächste Woche stattfinden. Zwar muss über die Details der Rückzugspläne in der Regierung nochmals abgestimmt werden, doch verfügt Scharon nun sowohl im Kabinett als auch in der Knesset über breite Mehrheiten.

In der Arbeitspartei stoßen sich einige Abgeordnete zwar an der Tatsache, dass der Likud nicht auf ein einziges wichtiges Ministerium verzichtet und die eigene Partei weder ein solches im sozialen Bereich noch im sicherheits- oder außenpolitischen Sektor erhalten habe. Dennoch rechnet niemand mehr damit, dass das Zentralkommitee die große Koalition ablehnen wird. Und auch die Zustimmung der Knesset zur Ministerliste gilt als sicher.

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