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Politik: Scharon ohne Partner

Auch die Liberalen gehen – Israels Koalitionskrise gefährdet Abzug aus Gaza

Die israelische Minderheitsregierung unter Ariel Scharon ist auseinander gebrochen. Die Minister der liberalen Schinui-Partei wollen gegen das Staatsbudget 2005 stimmen: Scharon hat angekündigt, sie in diesem Fall zu entlassen. Doch möglicherweise kommen sie dem mit ihrem kollektiven Rücktritt zuvor. Scharon ist dabei der letzte Koalitionspartner seiner ursprünglich nationalkonservativen Regierung abhanden gekommen. Schon zuvor hatte der nationalistische Flügel – Nationale Union, Nationalreligiöse und die „Rebellen“ in Scharons eigener Likud-Partei – seine Mitarbeit aufgekündigt.

Die antireligiöse Schinui wird in erster Lesung gegen das Staatsbudget stimmen, weil dieses zusätzliche Zuwendungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Schekel – rund 50 Millionen Euro – an religiöse Institutionen wie Talmud- und Thora-Schulen vorsieht. Andererseits werden die von Schinui als zu hoch kritisierten Studiengebühren an den Universitäten nicht wie versprochen gekürzt, sondern erneut erhöht. Mit den Geldern für die Religiösen hat sich Scharon die Stimmen der sechs Nationalreligiösen und der fünf Ultrareligiösen des Thora-Judentums in der Knesset erkauft und will damit auch die ultrareligiöse Schas-Partei in die Regierung locken. Dies reicht allerdings vorläufig noch nicht für eine Mehrheit in der ersten Budget-Lesung.

Scharon wollte noch in der Nacht zu diesem Donnerstag Koalitionsverhandlungen mit der Arbeitspartei aufnehmen, um mit dieser und den zwei ultrareligiösen Parteien Schas und Thora-Judentum eine neue Regierung zu bilden. Zwar hat der Likud-Parteitag eine Koalition mit der Arbeitspartei abgelehnt. Doch ging er dabei von der Annahme aus, Scharon wolle eine säkulare und politisch moderate Regierung aus Likud, Arbeitspartei und Schinui bilden. In dieser hätten die Befürworter seiner Rückzugs- und Siedlungsräumungs-Pläne eine deutliche Mehrheit besessen. Für die nun von Scharon angestrebte Regierung unter Einschluss der Ultrareligiösen ist wohl eine Mehrheit des Likud bereit, die so genannte „Kröte“ Arbeitspartei zu schlucken.

Zahlreiche ausländische Besucher sprechen seit Arafats Tod in Jerusalem vor und drängen auf Verhandlungen mit den Palästinensern, der deutsche Außenminister Joschka Fischer wird am Sonntag erwartet. Scharon hat ihnen keine Absage erteilt, sondern klar gemacht, dass er die palästinensischen Präsidentschaftswahlen am 9. Januar abwarten will, um danach mit dem wahrscheinlichen Wahlsieger Mahmud Abbas in Kontakt zu treten. Die militante Palästinenser-Organisation Hamas kündigte an, sie werde die Wahl eines Arafat-Nachfolgers boykottieren. „Wir im islamischen Widerstand kündigen unseren Boykott und unsere Nichtteilnahme an der Präsidentenwahl an“, sagte ein Sprecher in Gaza-Stadt. Die Hamas hat sich der Zerstörung Israels verschrieben und lehnt einen Dialog ab – ganz im Gegensatz zu dem von der Fatah-Bewegung aufgestellten und als moderat geltenden Abbas.

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