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Unterstützung für die Illegalen. Demonstranten protestieren in New York vor der Behörde zur Bekämpfung illegaler Einwanderung gegen die Abschiebungspraxis.

©  John Moore/AFP

Schicksal der "Dreamers": USA wollen Einwanderer-Nachwuchs ausweisen

Unter Präsident Obama waren Zuwandererkinder ohne Papiere in den USA geduldet. Jetzt droht den sogenannten „Dreamers“ die Abschiebung.

Daniela Vargas träumt nicht von Reichtum und Ruhm, sondern von einem ganz normalen Leben: Die 22-Jährige aus der Stadt Jackson im US-Bundesstaat Mississippi will studieren, heiraten und dann als Ehefrau und Mutter ihre Kinder im Auto zum Sport fahren. Doch der bescheidene Traum der jungen Frau könnte an der neuen Realität im Amerika von Donald Trump zerbrechen. Statt Geld für ihr Studium zu verdienen, sitzt Vargas in Abschiebehaft. Schon bald könnte sie in ein Flugzeug nach Argentinien gesetzt werden – ein Land, das sie als siebenjähriges Kind verlassen hatte.

Vargas ist ein „Dreamer“, wie die als Kinder ohne Papiere in die USA gekommenen Zuwanderer genannt werden; die Bezeichnung stammt von einer Gesetzesinitiative zum Schutz von minderjährigen Immigranten. Unter Präsident Barack Obama genossen rund 750.000 „Dreamers“ eine Duldung und durften in den USA bleiben – doch unter Trump bekommt das rechtliche Schutzschild tiefe Risse. Niemand weiß, ob der Präsident die „Dreamers“ aus dem Land werfen wird.

Plötzlich droht ständig die Festnahme

Bei Vargas rückt diese Möglichkeit näher. Vor etwa einem Monat musste sie miterleben, dass Beamte der Einheit ICE, einer Spezialtruppe zur Bekämpfung illegaler Einwanderung in den USA, ihren Vater und ihren Bruder festnahmen. Sie selbst blieb damals noch unbehelligt, weil sie auf ihre Duldung verwies. Doch ICE fand heraus, dass Danielas Papiere im vergangenen November abgelaufen waren – sie hat zwar eine Verlängerung beantragt, aber nicht genug Geld beisammen, um das fast 500 Dollar teure Genehmigungsverfahren zu bezahlen.

Als Vargas vergangene Woche bei einer Pressekonferenz in Jackson zusammen mit Kirchenvertretern und Bürgerrechtlern auftrat, um gegen die Festnahme ihrer Angehörigen zu protestieren, war es auch für sie so weit. Auf dem Heimweg von der Pressekonferenz stoppten ICE-Beamte ihren Wagen. „Sie wissen, warum wir hier sind“, sagte einer von ihnen und legte der jungen Frau Handschellen an.

Nach dem Gesetz hat sich Vargas schuldig gemacht, weil sie sich seit einigen Monaten ohne gültige Papiere im Land aufhält. Sie kann ohne Gerichtsbeschluss abgeschoben werden; schon in einigen Wochen könnte es so weit sein, sagte ihre Anwältin Abigail Peterson amerikanischen Medien.

Die Anwälte der Frau haben beantragt, dass Vargas dennoch einem Richter vorgeführt wird. Bürgerrechtler starteten zudem eine Petition für Vargas, in der die Justiz aufgerufen wird, die junge Frau freizulassen: Ihre Festnahme stehe ganz offensichtlich im Zusammenhang mit ihrem Auftritt bei der Pressekonferenz und sei damit ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit. Ob diese Bemühungen Erfolg haben werden, ist offen.

500 Menschen werden jeden Tag nach Mexiko gebracht

Was Vargas noch drohen könnte, wird bei anderen schon durchgezogen: Allein nach Mexiko schieben die USA jeden Tag 500 Menschen ab. Viele der Heimkehrer haben ihr halbes Leben oder mehr in den USA verbracht, wo illegale Einwanderer in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder in Restaurants arbeiten oder eigene Existenzen als Kleinunternehmer und Häuslebauer gegründet haben. Was Daniela Vargas, die 15 ihrer 22 Lebensjahre in Amerika zugebracht hat, in Argentinien anfangen soll, weiß niemand.

Die Gesamtzahl der Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere in den USA wird auf elf Millionen Menschen geschätzt, sechs Millionen davon kommen aus Mexiko. Im Wahlkampf kündigte Trump unter dem Jubel seiner rechtsgerichteten Wähler ein hartes Vorgehen gegen die Illegalen an. Inzwischen spricht der Präsident vor allem davon, „üble Burschen“ wie Kriminelle und Drogenhändler hinauswerfen zu wollen, die „Dreamers“ hat er dagegen als „unglaubliche junge Leute“ gelobt. Dennoch geraten auch Unbescholtene wie Vargas ins Visier der ICE-Beamten.

Familien werden auseinandergerissen - weil manche bleiben dürfen

Ob die Abschiebungen das richtige Mittel zur Problemlösung sind, ist umstritten. Fast vier Millionen der Illegalen haben mindestens ein Kind, das in Amerika geboren wurde und damit US-Bürger ist: Abschiebungen reißen also Familien auseinander. Viele der jetzt von Abschiebung bedrohten Menschen sind seit Jahrzehnten im Land, haben Betriebe gegründet, zahlen Steuern.

Auch der Sinn der Mauer an der Grenze zu Mexiko, die Trump bauen will, ist zweifelhaft. Schon lange kommt nur noch eine Minderheit der Einwanderer ohne Papiere über die Grenze in die USA: Die meisten reisen ganz legal ein und bleiben in Amerika, nachdem ihr Visum abgelaufen ist. Dennoch verschärft die Trump-Regierung ihr Vorgehen an der mexikanischen Grenze. Nach Angaben des Heimatschutzministeriums könnten die Behörden demnächst illegal einreisende Eltern und Kinder sofort voneinander trennen: Die Eltern werden in Haft genommen, während die mitgebrachten Kinder in Heime gesteckt werden.

Abschiebungsgegner plädieren dagegen für eine Amnestie, um den bereits in den USA lebenden Zuwanderern einen Aufenthaltstatus zu geben. Viele konservative Politiker lehnen das ab, doch soll sich Trump zuletzt offen für eine Amnestieregelung gezeigt haben. Eine Lösung des Streits zeichnet sich noch nicht ab – wenn sich die gegnerischen Lager in Washington irgendwann einmal einigen sollten, könnte es für Daniela Vargas längst zu spät sein.

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