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Politik: „Schily setzt auf eine Illusion“

Grünen-Chef Bütikofer lehnt weitere Zuwanderungsrunden mit der Union ab und plädiert für eine rot-grüne Lösung

Herr Bütikofer, Sie haben die Koalition mit Ihrer Weigerung, die Zuwanderungsverhandlungen fortzusetzen, in eine Krise gestürzt.

Ach was. Es ist viel schlichter. Wir Grünen bewerten die Erfahrungen mit den Zuwanderungsverhandlungen anders als der Koalitionspartner. Wir glauben, dass mit der Union keine verantwortbare Lösung mehr zu erringen ist. In der SPD gibt es demgegenüber noch Hoffnungen. Darin liegt unsere Differenz.

Ist diese Differenz klein genug, dass sie im Koalitionsausschuss am Freitag überwunden werden kann?

Sie ist überwindbar mit einem praktischen Blick nach vorn. Für uns ist eine neue Zuwanderungsregelung eine ganz wichtige Angelegenheit. Das weiß auch der Koalitionspartner. Es gibt übrigens nicht wenige Sozialdemokraten, die unsere Bilanz der Verhandlungen mit der Union teilen. Ich glaube, Rot-Grün sollte jetzt einen Weg einschlagen, gemeinsam die wichtigsten Regelungen umzusetzen, die von dem einst grandiosen Gesetzespaket übrig geblieben sind. Aus grüner Sicht bietet sich dazu eine Gesetzesinitiative, die der Zustimmung der Union nicht bedarf, an. Das betrifft etwa eine Abschiebungsregelung für gefährliche Ausländer, die Zuwanderung von Höchstqualifizierten und die geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgung. In all diesen Fragen können wir in der Koalition inzwischen mehr allein bewegen, als wir es mit der Union können.

Die SPD will Ihren Alleingang bisher nicht mitmachen?

Diese Diskussion zwischen den Koalitionspartnern ist noch nicht zu Ende.

Was spricht dagegen, sich noch einmal gemeinsame Ziele zu setzen, mit denen man die Union am Verhandlungstisch konfrontiert?

Wir Grünen leiden ja nicht unter Wiederholungszwang. Wir haben dem Koalitionspartner vergangene Woche ganz klar gesagt, wo unsere Kompromissbereitschaft beendet ist. Das wusste nicht nur Otto Schily. Es war vor der Wochenendverhandlung klar, wo unsere Grenzen sind. Niemand wird uns vorwerfen können, wir hätten uns in den letzten Monaten nicht bis zum Äußersten bemüht. Ganz im Gegenteil: Wir haben übermäßig Geduld gezeigt. Aber wo für uns die Grenze liegt, müssen wir selber definieren.

Dem Koalitionspartner sind Ihre Grenzen offenbar ferner als die Hoffnung auf ein neues Zuwanderungsgesetz mit der Union.

Worum geht es denn? Sehen Sie sich doch die Strategie der Union an! Seit Wochen treibt sie die Verhandlungen in eine Richtung, bei der am Ende Ausländer sich auf Terrorist reimt. Das wäre kein Zuwanderungsgesetz mehr, sondern ein Ausländerabschreckungsgesetz. Ist das das moderne Deutschland, das Rot-Grün versprochen hat?

Welche Forderungen der Union sind denn für die Grünen ganz und gar unakzeptabel?

Wenn die Union Ausländer ohne Haftgrund in Haft nehmen lassen will – der Begriff heißt Sicherungshaft –, ist das für uns schlicht verfassungswidrig. Und die Forderung, jeden Deutschen, der einen Ausländer einlädt, in einer Datei abzuspeichern, ist der Beginn des Spitzelstaates und ist für mehr Sicherheit unnütz. So was zum Beispiel machen wir nicht mit.

Der Innenminister sieht das nicht so.

Sicherungshaft will er auch nicht. Aber Otto Schily hofft noch immer, mit der Union zu einem Konsens zu kommen. Ich befürchte, der Innenminister setzt da auf eine Illusion. Anders wird ein Schuh daraus. Die Gemeinsamkeiten in der Koalition in Fragen der Sicherheit und der Zuwanderung sind groß genug, um allein Gesetze zu machen, die die Union nicht blockieren kann.

Dann ist eine Rückkehr an den Verhandlungstisch für die Grünen undenkbar?

Dieses Spiel, das die Union mit uns gespielt hat, ist aus. Wir wollen aber nach dem Fußballermotto „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ ein neues Spiel nach besseren Regeln anfangen. Keine Fortsetzung von Scheinverhandlungen also, sondern jetzt mit den Sozialdemokraten das realisieren, was wir können. Wie das gehen kann, werden wir gemeinsam am Freitag besprechen.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Antje Sirleschtov.

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