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Politik: Schily will die Offenlegung von Recherchedaten und Recherchewegen ermöglichen

Seit zwei Wochen gleicht das Innenministerium einer Informations-Festung. Beim Thema Pressefreiheit.

Seit zwei Wochen gleicht das Innenministerium einer Informations-Festung. Beim Thema Pressefreiheit. Bis gestern gab es keine Stellungnahme des Ministers oder seiner Presseleute zu diesem Thema, obwohl der Vorwurf des Deutschen Presserates an das Schily-Ministerium nicht von Pappe ist. Er lautet: Der Innenminister lässt ein Datenschutzgesetz ausarbeiten, das auf "Zensur durch die Hintertür" und auf "Einschränkung der Pressefreiheit" hinauslaufe. Darauf soll die Pressestelle des Innenministerium zwei Wochen keine Antwort parat haben?

Am Anfang standen das Wort der EU und eine Unterlassung der Kohlregierung. 1995 verabschiedete die EU verbindliche Richtlinien zum Datenschutz auch in den Medien. Die sollten bereits seit einem Jahr umgesetzt sein. Aber die Regierung Kohl tändelte lange herum, ließ die Umsetzung entwerfen, und ein Entwurf entstand, der zwar etwas vernünftiger ausfiel als der jetzige, von Schily zu verantwortende. Aber die Zeit reichte nicht mehr, die Abwahl stornierte auch die Einbringung des Entwurfs als Gesetz.

So entstand ein neuer, rot-grüner, verschärfter Entwurf, gestrickt mit glühend heißer Nadel unter der insgeheimen Dominanz des Fachreferats Datenschutz im Justizministerium, das kaum Erfahrung mit der Pressepraxis hat. Ausgerechnet den Datenschützer des Bundes, Joachim Jacob, und die Medienverbände und die Gewerkschaften ließen die Minister über die Verschärfung des Gesetzentwurfs der Vorgängerregierung im Dunkeln. Alles Zufall? Der Entwurf aus dem Hause Schily trägt jedenfalls nach Ansicht der Experten des Deutschen Presserates "etatistische" Züge. Denn hinter der Gleichstellung der Medien mit allen anderen Unternehmungen und Behörden wie Krankenkassen oder Sozialämtern in Sachen Datenschutz, verberge sich eine akute Bedrohung der Pressefreiheit durch den - rot-grünen - Staat.

So sieht der Referentenentwurf beispielsweise vor, dass das Erheben von Daten, also von Informationen wie auch jeder Kontakt mit Quellen oder Informanten grundsätzlich nach den üblichen Regeln des Datenschutzes zu behandeln sei: überprüfbar und nachvollziehbar. Zur Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzrichtlinien soll deshalb in jeder Redaktion ein Datenschutzbeauftragter installiert werden, der einer "staatlichen Aufsichtsbehörde" gegebenenfalls Verstöße melden soll, etwa den Datenschützern des Landes oder den Regierungspräsidenten.

Nicht nur wird derart die staatliche Beaufsichtigung der Redaktionen bei ihrem Umgang mit Informanten, Zuträgern und Informationskanalen inthronisiert. In einer Art umgekehrter Beweislast sollen die Medien fortan gegebenenfalls beweisen müssen, dass sie keine "unzulässige" oder "unrichtige" Recherche (Datenverarbeitung) unternommen hätten. Bislang mußte ein Kläger nachweisen, dass Rechte verletzt wurden. "Pressefreiheit in der Defensive" nennt das der Presserat, denn die Angst vor gigantischen Schadensersatzforderungen verhindere erfolgreich den Rechercheeifer.

Der Informanten-, beziehungsweise Quellenschutz würde schwierig bis - in heiklen Fällen besonders - unmöglich. Denn der Entwurf sieht auch eine weitgehende Offenbarung von Recherchedaten und Recherchewegen vor, wenn dies ein Betroffener verlangt. Was dies für Recherchen wie beispielsweise im aktuellen Fall Kiep bedeuten würde, muß nicht weiter erläutert werden.

Juristen haben für den Presserat den Entwurf in einer 20 Seiten langen Stellungnahme auseinandergenommen - und dem Innenminister ihre Stellungnahme zugeleitet. Dessen Antwort auf die Vorbehalte hat er in einem Brief vom 21. November vom Tisch gewischt und den Presserat auf die Anhörung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vertröstet. Dort könne er seinen Standpunkt "erneut vorbringen." Der Presserat selbst fasst seinen Standpunkt so zusammen: "verfassungsrechtlich bedenklich".

De Presserat wie auch der Bundesdatenschützer halten das Unternehmen für überflüssig, da Schily ohne Not die Länderzuständigkeit an sich reißt, statt sich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie auf das einzige Medium nach Bundesrecht, die Deutsche Welle, zu beschränken. Die Experten fordern, das ganze Unterfangen abzublasen und den Landesbeauftragten für den Datenschutz in Zusammenarbeit mit dem Presserat damit zu beauftragen. Jacob und der Presserat haben ihre Bereitschaft längst erklärt, den Pressekodex des Presserates um Datenschutzrichtlinien zu erweitern. Eine staatliche Kontrolle, so beide, sei nicht nur überflüssig, sondern auch gefährlich. Übersetzt heißt das nämlich: Zensur.

Rüdiger Scheidges

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