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Die grünen Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir

© Kay Nietfeld/ AFP

Schlechte Umfragewerte: Grüne liegen bei nur noch acht Prozent

"Es war kein erfolgreicher Start in den Wahlkampf", räumt Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ein. Er sieht aber "genug Stärken", die die Partei jetzt ausspielen müsse.

Manch einer bei den Grünen fühlt sich in diesen Tagen an die miese Stimmung Anfang 2002 erinnert. Damals startete die Partei nach vier Jahren Regierungsbeteiligung im Bund schwer angeschlagen ins Wahljahr. In Umfragen sackten die Grünen sogar auf unter fünf Prozent ab. Doch am Ende gelang es dem damaligen Außenminister und grünen Spitzenkandidaten Joschka Fischer, im Wahlkampf die Stimmung zu drehen: Die Grünen zogen mit 8,6 Prozent wieder in den Bundestag ein – dem damals besten Ergebnis ihrer Geschichte.

Doch wer soll das Ruder bei dieser Wahl herumreißen, fragen sich nun einige bei den Grünen. Der Jahresauftakt war für die Partei ernüchternd. Nachdem die Grünen im letzten Jahr in den bundesweiten Umfragen stabil zweistellig waren, verlieren sie seit einigen Wochen in den Wählerbefragungen an Zustimmung und landen bei Werten um acht Prozent. Die Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD scheint den Trend noch einmal verstärkt zu haben. Offenbar gelingt es dem Sozialdemokraten, einen Teil der rot-grünen Wechselwähler anzusprechen. „Es war kein erfolgreicher Start in den Wahlkampf“, räumt auch Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ein.

Urwahl brachte neue Mitglieder, aber keine Aufbruchstimmung

Die Urwahl, in der die grüne Basis in den letzten Monaten über ihr Spitzenduo für 2017 entscheiden durfte, bescherte den Grünen zwar Aufmerksamkeit und sogar etliche neue Mitglieder. Doch die Nominierung von Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Parteichef Cem Özdemir erzeugte bei weitem nicht die Aufbruchstimmung, wie sie nun plötzlich in der SPD herrscht.

Wahlkampfmanager Kellner mahnt seine Partei dennoch zur Gelassenheit. „Wir Grüne haben genug Stärken, die wir in den nächsten Monaten ausspielen werden“, sagt er dem Tagesspiegel. Drei Punkte sind dabei für ihn zentral: Zum einen das ökologische Profil der Partei. „Da haben wir ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Kellner. Außerdem müssten die Grünen deutlich machen, dass eine „lustlose“ und „schlecht regierende“ große Koalition auf Dauer nicht gut fürs Land sei. Nicht zuletzt komme der Partei eine „wichtige Rolle“ in der Auseinandersetzung mit der AfD zu, sagt Kellner: „Wir sind die Partei, die Weltoffenheit verteidigt und sich gegen ein Rollback der Gesellschaft stemmt.“

"Großes Reservoir an Wählern"

Auch der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek sieht ein „großes Reservoir an Wählern“, welche die Grünen ansprechen könnten. „Dafür müssen wir klar unterscheidbar sein und einen harten Wahlkampf führen“, sagt Janecek dem Tagesspiegel. Der Grünen-Politiker aus Bayern, der zugleich Koordinator des Realo-Flügels ist, fordert eine schärfere Auseinandersetzung auch mit dem SPD-Kanzlerkandidaten. „In den nächsten Monaten werden wir Martin Schulz stärker stellen müssen. Klar ist, dass er nicht dafür steht, dass die Erneuerbaren Energien wirklich vorangebracht werden, Autos stärker aus den Innenstädten verdrängt werden oder der Tierschutz gestärkt wird“, sagt Janecek.

Doch derzeit fällt es den Grünen schwer, die Ökofrage wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen – trotz alarmierender Meldungen von Rekord-Eisschmelzen aus der Arktis. Zum Jahresbeginn wurde die öffentliche Debatte von Fragen der inneren Sicherheit dominiert. Eine Thema, bei dem die Grünen nichts gewinnen können, auch wenn sie in den letzten Wochen um ihre Positionierung gerungen haben.

Starke Schwankungen in den Umfragen

Ob die Grünen die politische Agenda in den nächsten Monate stärker bestimmen können, ist schwer vorherzusagen. Wahlkampfmanager Kellner jedenfalls beobachtet seit einiger Zeit „große Schwankungen“ in den Umfragen, auch bei den Präferenzen für Regierungskonstellationen. „Es gibt eine hohe Volatilität“, sagt er. In die Bundestagswahl ziehen die Grünen mit einem Kurs der „Eigenständigkeit“, ohne Festlegung auf einen möglichen Koalitionspartner.

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