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Politik: Schlepper-Prozess: Milde Strafen für Schleuser

Überraschend milde Strafen hat ein Gericht in Rotterdam in dem so genannten Dover-Prozess um den Tod von 58 Chinesen bei der illegalen Einreise nach Großbritannien verhängt. Die beiden türkischen Hauptverdächtigen Gürzel Öczan und Haci Demir, die den Unglückstransport im vergangenen Juni organisierten, erhielten jeweils neun Jahre Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet 86 000 Mark.

Überraschend milde Strafen hat ein Gericht in Rotterdam in dem so genannten Dover-Prozess um den Tod von 58 Chinesen bei der illegalen Einreise nach Großbritannien verhängt. Die beiden türkischen Hauptverdächtigen Gürzel Öczan und Haci Demir, die den Unglückstransport im vergangenen Juni organisierten, erhielten jeweils neun Jahre Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet 86 000 Mark. Zwei der sieben niederländischen Angeklagten wurden freigesprochen, die anderen Mitglieder der Schlepperbande zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und sieben Jahren verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussplädoyer vor zwei Wochen gegen acht der neun Angeklagten noch Haftstrafen zwischen sechs und 20 Jahren gefordert. Die Strafen fielen indes wesentlich niedriger aus, da das Gericht im Gegensatz zu den Anklägern den Vorwurf des Totschlags als nicht erwiesen ansah. Zwar hätten die Angeklagten aufgrund ihrer Erfahrungen bei früheren Flüchtlings-Transporten gewusst, dass die Luftzufuhr für die eingeschlossenen Flüchtlinge ein "heikler Punkt" war, begründete das Rotterdamer-Gericht sein Urteil: Doch die Angeklagten seien nicht bewusst an einem absichtlichen Totschlag beteiligt gewesen.

Die Staatsanwaltschaft hatte zwar auch eingeräumt, dass die Schlepper nicht die Absicht hatten, die Chinesen sterben zu lassen. Nach Auffassung der Ankläger gingen sie aus Profitgier aber bewusst das Risiko ein, dass ihre illegalen Passagiere den Transport nach Großbritannien nicht überleben. Schließlich seien schon bei der vorherigen Schleusung von Flüchtlingen beinahe Menschen erstickt.

Die Richter legten den verurteilten Angeklagten fahrlässige Tötung, Menschenschmuggel und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zur Last. Ihre Aktivitäten seien "menschenunwürdig und gefährlich" gewesen. Im Gegensatz zu seinen früheren Kompagnons war zuvor Perry Wacker, der in Dover festgenommene Fahrer des Lastwagens, von einem britischen Gericht im April sehr wohl wegen Totschlags verurteilt worden. Gegen ihn wurde eine Haftstrafe von 14 Jahren verhängt. Der Verteidiger von Haci Demir kündigte nach dem Rotterdamer Urteilsspruch Berufung an. Sowohl der Anwalt von Öczan als auch Staatsanwalt Johan Klunder erklärten am Freitag, vor einer möglichen Berufung erst die Urteilsbegründung gründlich überprüfen zu wollen.

Bei dem Schmuggeltransport am 18. Juni vergangenen Jahres waren 58 der 60 zwischen Tomatenpaletten versteckten Passagiere während der Überfahrt von dem belgischen Hafen Zeebrügge nach Dover qualvoll erstickt. Nach Angaben der Überlebenden hatten die Flüchtlinge in China so genannten "Schlangenkopf-Banden" Geld gezahlt, um in den Westen zu gelangen.

Den Vorwurf der Verteidiger, dass die niederländische Justiz den Unglückstransport bewusst durchgelassen habe, wies das Gericht zurück. Diese These beruhe lediglich auf "Unterstellungen". Weder der Polizei noch der Justiz könne irgendein Vorwurf gemacht werden.

Thomas Roser

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