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Schleswig-Holstein: Die Angst der SPD vor dem Abstieg

Für die SPD in Schleswig-Holstein beginnt ein schwieriger Wahlkampf – personell ist die Partei ausgedünnt.

Ralf Stegner, wer sonst? Auf dem zweitägigen Sonderparteitag der schleswig-holsteinischen SPD in Lübeck ließ sich der 49-Jährige als Herausforderer von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) küren und bekam dabei 92 von 103 abgegebenen Delegiertenstimmen. Das waren nicht ganz 90 Prozent (89,32) und damit ein schlechteres Ergebnis als zuletzt bei seiner Wiederwahl zum Landeschef, als er noch 91,1 Prozent der Stimmen erhielt.

In einer 65-minütigen, mitreißenden Bewerbungsrede beließ er es vorwiegend beim Hervorheben von sozialdemokratischen Leistungen, Stärken und Verdiensten seitdem Björn Engholm 1988 die Partei in eine 21 Jahre dauernde Regierungsverantwortung geführt hatte. Als Stegner auf die Arbeit der nach dem von Carstensen erklärten Koalitionsbruch entlassenen SPD-Minister verwies, brandete tosender Applaus auf. Kein einziges Mal nannte Stegner seinen Kontrahenten um das Amt des Regierungschefs beim Namen. Die schärfste Attacke auf Carstensen kam vom SPD-Bundesvorsitzenden Franz Müntefering, der die Aufkündigung der Koalition und die nun daraus folgenden Neuwahlen als „hart an der Beugung von Demokratie“ bezeichnete.

Ganz ohne verbalen Angriff kommt aber auch Stegner nicht aus. Er knöpfte sich den Vorstandschef der HSH Nordbank vor und kündigte mit Blick auf die vom Bankenmanager ausgehandelte Vergütung an: „Unter einer sozialdemokratischen Regierung ist Dirk Jens Nonnenmacher die längste Zeit Vorstand der Bank gewesen!“ Müntefering wünschte Stegner und der schleswig-holsteinischen SPD für den Wahlkampf „Glück auf“.

Das haben die Genossen nötig, denn sie müssen nach dem 27. September befürchten, auf der Oppositionsbank zu landen. In den aktuellsten Umfragen kommt sie auf 23 Prozent. Kämpferisch verwies Stegner auf den Wahlkampf 2005, als es Heide Simonis gelang in der Endphase rund zehn Prozentpunkte gegenüber den zuvor veröffentlichten Prognosen gutzumachen. „Das wird eine sehr außergewöhnliche Wahl werden.“ Es gebe einen steifen Wind von vorn. Die Frage sei, wer es aushalte, wenn der Wind von vorn komme. „Da reicht es nicht, wenn man in Friesland geboren ist“, sagte Stegner in Anspielung auf Carstensen.

Die Kieler SPD wird jedoch nur auf den früheren Pfälzer reduziert. Es vergeht kaum eine Talkrunde, für die der in seiner Partei links verortete Stegner nicht zum SPD-Alleinunterhalter wird. Zweite Reihe: Fehlanzeige. Hat die CDU nach der Barschel-Affäre etwa vier Wahlperioden gebraucht, sich zu erneuern, ist der personelle Umbruch in der SPD zuletzt stecken geblieben. Die erfolgreiche Generation um die beiden Ex-Ministerpräsidenten Björn Engholm und Heide Simonis sowie um Günther Jansen, Claus Möller und Gert Börnsen hat mit Stegner nur ein charismatisches Talent hervorgebracht.

Engholm, der sich zehn Jahre lang mit politischen Kommentaren zurückgehalten hatte, sieht nach dem 27. September im Kieler Landeshaus Chancen für ein schwarz-rot-gelbes Bündnis. Allerdings haben CDU und FDP eine Zusammenarbeit mit einer SPD unter Stegner kategorisch abgelehnt.

Dieter Hanisch[Lübeck]

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