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Schleswig-Holstein: "Wir haben die Koalition nicht gebrochen"

Ralf Stegner, der SPD-Chef in Schleswig-Holstein sieht ein schwarz-gelbes Komplott. Ein Interview

Sie gelten als gewiefter Taktiker und Stratege. Hat Ministerpräsident Peter Harry Carstensen Sie am Mittwoch mit der Ankündigung, das Regierungsbündnis aufzukündigen, tatsächlich überrumpelt?

Im Grunde konnte das nicht überraschen, weil die CDU mehrfach Versuche unternommen hat, die Koalition aufzukündigen mit dem Ziel, zu vorgezogenen Neuwahlen zu kommen. Ich glaube, dass war ein von Carstensen, dem CDU-Fraktionvorsitzenden Johann Wadephul und dem FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki kühl geplanter und inszenierter Versuch, vorgezogene Neuwahlen mit der Bundestagswahl zu verknüpfen. Überrascht hat mich jedoch die dreiste Form der Begründung, nämlich der SPD Unzuverlässigkeit vorzuwerfen und mangelnden Willen zur Haushaltskonsolidierung ausgerechnet an dem Tag, an dem wir alles eins zu eins im Landtag beschlossen haben, was vorher zusammen, wenn auch mühsam, ausgehandelt wurde.

Soll nach Ihrer Meinung von Carstensens Vorstoß zu Neuwahlen auch ein bundespolitisches Signal ausgehen?

Es soll wohl gezeigt werden, dass schwarz-gelb eine Mehrheit hat. Umgekehrt kann aber ein Schuh für die SPD daraus werden, denn mit einem zugespitzten, inhaltlich sehr polarisierten Wahlkampf sehe ich auch eine Chance für die Bundes-SPD, weil gerade in Schleswig-Holstein dem Wähler eine glasklare Alternative zu Schwarz-Gelb dargestellt wird.

Am Montag steht die Abstimmung über eine vorzeitige Landtagsauflösung an, die eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Sie haben angekündigt, die SPD stimmt geschlossen dagegen, womit mindestens sechs Stimmen fehlen würden. Was macht Sie so sicher?

Natürlich haben wir die Schwierigkeit, den Menschen zu erläutern, die Koalition ist kaputt, nun muss es Neuwahlen geben, wir stimmen aber dem Antrag nicht zu. Es ist aber ein Antrag, der begründet wird mit mangelnder Zuverlässigkeit der SPD. So können wir nicht zustimmen. Wir haben im Übrigen nichts gegen rasche Neuwahlen, aber wir sind es auch nicht, die die Koalition gebrochen haben. Carstensen kann dann die Vertrauensfrage stellen, was er vor Wochen noch als Trickserie bezeichnet hat. Ich denke, diese Kratzer an seinem Lack wird er sich abholen müssen.

Das Image der Partei und auch Ihre persönliche Popularität stecken laut neuesten Umfragen im Keller. Wie wollen Sie da Boden gut machen?

Tatsache ist, dass der Ministerpräsident einen Amtsbonus und damit durchaus auch einen klaren Medienvorteil hat. 90 Prozent seiner Arbeitszeit verwendet er zudem dafür, seine Sympathiewerte zu fördern, indem er sich fern von der Politik hält, dafür aber Volksfeste besucht und vieles tut, was die Menschen sympathisch finden. Während die Union wohl versuchen dürfte, einen personenorientierten Wahlkampf zu führen, wollen wir eher unsere Inhalte gegen schwarz-gelbe Konzepte stellen.

Sie wurden vom FDP-Oppositionsführer Wolfgang Kubicki am Freitag als einfältiger Naseweis tituliert, für Johann Wadephul von der CDU sind Sie ein Brandstifter. Selbst bezichtigen Sie Carstensen der Lüge. Werden wir einen Wahlkampf erleben, bei dem mit harten Bandagen erleben?

Die SPD hat sehr schlechte Erfahrungen damit, wie mit ihr umgesprungen wurde. Ich befürchte, weil ich es schon von CDU-Parteitagen her kenne, dass man mich mit rüden Angriffen, die sich teilweise gar gegen meine Familie richten, attackiert, weil man nicht gerne über Sachthemen spricht. Ich bin für wettbewerbsorientierten Wahlkampf, spitze auch zu, das aber mit offenem Visier und nicht mit Hinterhältigkeiten, und dies erst recht nicht gegen den CDU-Spitzenkandidaten persönlich. Das verbietet sich gerade in Schleswig-Holstein.

Wie geschlossen zeigt sich Ihre SPD? Bei einer funktionierenden Kommunikation wäre Innenminister Lothar Hay doch wohl die persönliche Erklärung zu seinem Verhalten in Sachen Boni-Zahlung für den HSH-Nordbank-Vorstand Dirk Jens Nonnenmacher erspart geblieben? Hay hat immerhin zugegeben, dass er die Bewertung des Finanzministers Rainer Wiegard (CDU) in der Angelegenheit geteilt hat.

Wir haben es hier zu tun mit dem typischen Beispiel einer Maßstabsverschiebung, weil diese skandalösen Zahlungen für den HSH-Nordbank-Chef bereits im vergangenen November eingetütet worden sind - ohne Beteiligung und Wissen der SPD. Über diesen Sachverhalt ist dann in der letzten Juni-Woche auch Lothar Hay, was die Entscheidungsabläufe angeht, unvollständig informiert worden. Man kann kritisieren, dass die Kommunikation in der SPD in besagter Woche nicht optimal war, die waren da alle irgendwie unterwegs und die Brisanz war für die, die es erfahren haben, auch nicht erkennbar, weil von der entscheidenden Präsidialausschusssitzung am 26. Juni, in der auch nur Rainer Wiegard von der CDU sitzt, niemand etwas wusste. Daher ist die nicht optimale Kommunikation in der SPD überhaupt nicht auf der gleichen Ebene zu betrachten wie die dreiste Form, so etwas zu entscheiden. In keinem Gremium, in dem die SPD vertreten ist, ist diese Frage entschieden worden. Es ehrt Lothar Hay, sich persönlich dazu zu erklären. Das erlaubt es der Union jetzt, so zu tun, als sei es eine gemeinsame Entscheidung gewesen. Die war es nun wirklich nicht.

Wollen Sie die Vorgänge um die HSH Nordbank zum Wahlkampfthema machen oder müssen Sie fürchten, dass auch kritische Dinge auf die SPD zurückfallen, weil Sie ja auch mal im Aufsichtsrat saßen?

Ich war damals in guter Gesellschaft mit Wirtschaftsprüfern und anderen Fachleuten. Wir haben die Finanzkrise damals auch nicht vorher gesehen. Man stellt aktuell aber das Wohl eines Bad Bankers über das Gemeinwohl des Landes Schleswig-Holstein. Das haben Herr Carstensen und sein Finanzminister de facto getan. Dass das Wahlkampfthema ist, darauf können Sie Gift nehmen.

Bezogen auf die zu erwartende höhere Wahlbeteiligung müssten Sie doch im Sinne der Demokratie einen Wahltermin am 27. September eigentlich begrüßen?

Das ist in der Tat der Teil, der der Sozialdemokratie helfen wird. Das trägt hoffentlich auch dazu bei, dass keine Protestparteien in den Landtag kommen. Als Sozialdemokrat sage ich, ich will keine Linke im Parlament, denn wir sehen uns als die soziale Kraft im Land.

Das Gespräch führte Dieter Hanisch.

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