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Politik: „Schluss mit dem Wahn, alles zu dürfen“ Ein FDP-Abweichler über das Stammzellgesetz

Noch vor der Osterpause will der Bundestag über das Stammzellgesetz diskutieren. Abgeordnete verschiedener Fraktionen fordern, den bisherigen Stichtag zur Einfuhr embryonaler Stammzellen vom 1.

Noch vor der Osterpause will der Bundestag über das Stammzellgesetz diskutieren. Abgeordnete verschiedener Fraktionen fordern, den bisherigen Stichtag zur Einfuhr embryonaler Stammzellen vom 1. Januar 2002 auf den 1. Mai 2007 zu verschieben. Und die FDP drängt sogar auf komplette Freigabe der Forschung – mit Ausnahme ihres kirchenpolitischen Sprechers Hans-Michael Goldmann.

Herr Goldmann, Sie wehren sich gegen die Liberalisierung des Stammzellgesetzes. Sind Sie in der falschen Partei?

Nein, überhaupt nicht – auch wenn in der FDP eine überaus große Mehrheit in dieser Frage einen anderen Standpunkt hat. Die Kollegen argumentieren mit einer Ethik des Heilens, für mich geht es aber auch um den Schutz des Lebens. Und auch aus wissenschaftlicher Überlegung heraus lässt sich sagen: Es bedarf nicht zusätzlicher embryonaler Stammzellen, um medizinische Erfolge beim Heilen zu erzielen. Die Entwicklung der letzten Zeit belegt, dass dies auch anders geht.

Sie finden also nicht, dass die Forscher in Deutschland kriminalisiert werden und dass der Forschungsstandort in Gefahr ist?

Nein, dann würde ich nicht so votieren. Ich weiß, es gibt Länder, die hier viel weiter gehen. Aber es gibt auch Forscher, die nur mit reprogrammierten Zellen arbeiten und gute Erfolge vorweisen können.

Den meisten in der FDP genügt ein verschobener Stichtag für den Import embryonaler Stammzellen gar nicht. Sie fordern völlige Forschungsfreiheit. Was sagen Sie denen?

Ich sage ihnen, dass ich anderer Meinung bin. Ich sage es ihnen nicht böse. Aber ich glaube, dass man mit dem Wahn aufräumen muss, dass wir alles dürfen und machen können. Im Grundgesetz steht, dass das Leben zu schützen ist. Wir brauchen jetzt nicht darüber streiten, wie viel Leben in einer Stammzelle ist. Nur: Irgendwo muss man die Grenze ziehen, egal ob man gläubig ist oder nicht.

Fühlen Sie sich nicht hochgradig unwohl in einer Partei, die – ihren Worten zufolge – von ebendiesem „Wahn“ besessen zu sein scheint, alles erlauben zu müssen?

Ich unterstelle keinem meiner Kollegen im Bundestag, einem Wahn nachzuhängen. Aber in der Gesellschaft gibt es die Einstellung, wir könnten alles. Und plötzlich stellen wir fest: Potzblitz, wir haben das Rädchen überdreht. Das zeigt sich auch bei den Riesenherausforderungen Klimawandel oder Welternährung. Nicht alles ist möglich. Es wird auch nicht möglich sein, dass Menschen noch viel älter werden und dabei kerngesund bleiben. Natürlich soll man Krankheiten therapieren. Aber man muss abwägen: Was gebe ich dafür an Grundpositionen auf. Und für mich ist an dieser Stelle einfach Schluss.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

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