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Politik: Schluss mit Wahlkampf

Von Alfons Frese

Muss denn in diesem Land immer Wahlkampf sein? Bevor der Koalitionsvertrag unterschrieben ist, wird er schon zerfetzt. Aus der Wirtschaft, von Verbandsvertretern und Gewerkschaftsfunktionären kommt der vertraute Reflex: Mäkeln und nie zufrieden sein, damit beim nächsten Mal vielleicht ein bisschen mehr für die eigene Klientel herauskommt. Denn genug ist nie genug – oder gibt es eine Firma, die mit einem bestimmten Profit zufrieden ist?

Immer größer und schöner und reicher wollen auch die Autokonzerne werden. Doch offenbar hindert sie die Politik daran. Anders ist kaum zu erklären, dass sich die Bosse von VW und BMW, Porsche und Mercedes so abfällig über die Pläne der großen Koalition äußern. Sie haben das Maß verloren. Nachdem der erste Schock über den Lügen-Vorwurf verflogen ist, wehren sich die Angegriffenen. „Diese Herren entlassen Zehntausende von Leuten, kippen sie der Politik vor die Tür und kritisieren uns dann“, klagt Edmund Stoiber. Angela Merkel vermisst vorsichtig „ein kleines bisschen Ehrfurcht“, während SPD-Chef Matthias Platzeck die Wirtschaftsliberalen Merz, Westerwelle und Henkel attackiert: „Da ist nicht viel dahinter.“

Jedenfalls nicht die Mehrheit. Zum Verdruss vieler in der Wirtschaft haben die Bürger am 18. September kein Konzept gewählt, das den Rückzug des Staates vorsieht, das die Schwachen belastet und die Starken entlastet. Der Koalitionsvertrag zielt in die andere Richtung. Union und SPD wollen den Staat handlungsfähig halten und wieder Spielräume für staatliches Handeln schaffen. Deshalb hat die Sanierung der öffentlichen Haushalte oberste Priorität – auf gleicher Höhe mit dem Wachstumsziel.

Das Kalkül der nächsten Regierung ist schlicht: 2006 kommt die Konjunktur – auch mit Hilfe von Fördermaßnahmen für den Mittelstand – so sehr in Schwung, dass die Mehrwertsteuererhöhung 2007 sie nur ein bisschen abbremst. Hoffentlich. Und wenn nicht? Die Mehrwertsteuer liegt auf Wiedervorlage für Herbst 2006. Denn wenn unsere Wirtschaft in einem Jahr in derselben Verfassung ist wie heute, wäre eine Erhöhung ökonomischer Irrsinn.

Aber so weit sind wir nicht, ist die große Koalition nicht. Wir, die Wähler, haben es verdient, dass man die neue Mannschaft jetzt mal machen lässt. Das ist auch im Sinne der Wirtschaft. Endlich gibt es in unserem komplizierten föderalen System eine klare Mehrheit. Das ist ein positiver Standortfaktor für sich. Diese Mehrheit hat ein Ziel im Auge und macht sich nun mit verschiedenen Instrumenten im Gepäck auf durch das verminte Gelände der Lobbyistenlandschaft. Die Sozialkosten in den Griff bekommen, Bildung verbessern und Innovationen fördern, die Gesellschaft insgesamt kinderfreundlicher machen – ein großes Programm, gerade richtig für eine große Koalition, deren guter Geist hoffentlich weit trägt und ein wenig immun macht gegen das mediale Dauerfeuer der Schlaumeier und Interessenvertreter.

Sicher ist Kritik gut. Doch immer und immer wieder dieselbe Platte auflegen und genüsslich das Kostenelend am Standort Deutschland vorspielen? Es reicht. Seit dem Ende des Sozialismus hatten die Lobbyisten den Ton verschärft und den Druck auf die Politik erhöht. Bisweilen durchaus zu Recht, denn die Folgen des weltweiten Wettbewerbs sind in fast jedem Unternehmen zu spüren, und in vielen Bereichen sind wir nicht gut genug oder zu teuer. Aber es tut sich doch etwas. Die deutschen Firmen sind auch deshalb international wettbewerbsfähiger geworden, weil die Arbeitnehmer länger arbeiten und eine geringere Kaufkraft haben als vor zehn Jahren. Deutschland insgesamt ist wettbewerbsfähiger geworden, weil die Regierung Schröder große Reformen unternommen hat.

Die nächste Regierung geht den Weg weiter. Und anders als in den Selbstfindungsphasen der rot-grünen Koalition macht die schwarz-rote einen geerdeten Eindruck: Die wissen, was sie wollen, die wissen, was geht. Und lassen nicht alles zerreden. Es ist kein Wahlkampf mehr. Schwätzen ist vorbei, schaffen ist angesagt. Auch in der Wirtschaft, und nicht nur in Baden-Württemberg. Damit es überall aufwärts geht.

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