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Politik: Schmutzige Geschäfte

In kaum einer Branche blüht die Korruption so wie bei den Abfallentsorgern – auch, weil die Kontrolle fehlt

STRAFSACHE MÜLL

Schwarzgeld, Bestechung, Schieberei – überall in Nordrhein-Westfalen stießen die Ermittler auf schmutzige Geschäfte bei der Müllentsorgung. Korruptionsexperten überrascht das nicht. „Zu ähnlichen Ergebnissen käme man auch in anderen Bundesländern, wenn man eine Taskforce wie in NRW einsetzen würde“, sagt Peter von Blomberg, Vorstandsmitglied von Transparency International. Auch die Korruptionsforscherin Britta Bannenberg von der Universität Bielefeld hält den Skandal für keine Ausnahme.

Bundesweit Sonderermittler gegen Korruption einzusetzen, hält Bannenberg jedoch trotz des Erfolges in NRW für kein gutes Modell. „Eigentlich sollte so etwas wie eine Taskforce gar nicht nötig sein“, sagt sie. „Es ist die Aufgabe der Rechnungsprüfer der Gemeinden, die Geschäfte zu kontrollieren und Mauscheleien aufzudecken.“ Es müssten daher interne Stellen geschaffen werden, die gegen Korruption vorgehen. Das Hauptproblem sei, dass viele Verantwortliche einfach nicht wahrhaben wollten, dass in ihrem Umkreis krumme Geschäfte gemacht werden. Um das zu fördern, müsse man nicht selbst korrupt sein, sondern einfach Angst haben, dass es dem Renommee schaden könnte, wenn ein Skandal öffentlich wird. „So entsteht eine Schutzhülle, hinter der Korruption gedeiht“, sagt Bannenberg.

Wieso gedeiht sie aber ausgerechnet besonders gut in der Müllentsorgungsbranche? „Mit Korruption muss man immer dann rechnen, wenn Großprojekte finanziert werden – egal ob Flughafen, Tunnel, Brücken oder eben Müllverbrennungsanlagen“, erklärt von Blomberg. Oft gebe es nur ein paar wenige Anbieter, die so aufwändige Einrichtungen wie eben Müllverbrennungsanlagen bauen könnten. In der Müllbranche kenne daher tendenziell jeder jeden. Deshalb könne man zwar noch nicht von einer „Mafia“ sprechen, sagt Bannenberg, aber man habe es mit einem engen Kreis von Anlagenbauern, Planern und Betreibern zu tun. Da würden Absprachen getroffen – und vermutlich gelegentlich auch Politikern Geld zugeschanzt. Manchmal arbeiteten diese ohnehin schon für die entsprechende Firma oder säßen im Aufsichtsrat, wie es auch in Nordrhein-Westfalen zum Teil der Fall sei.

„Da kommt ein Grundübel zum Vorschein“, so von Blomberg. Es mangele in jeder Hinsicht an Transparenz: Dass manche Ratsmitglieder bei Firmen angestellt sind, über deren Bauaufträge sie entscheiden, das wisse oft nicht mal der Bürgermeister. Und die Gutachter, von denen man doch am ehesten erwarte, dass sie unabhängig sind, würden oft einfach „gekauft“.

Dass der Kampf gegen Korruption in Deutschland zu wünschen übrig lässt, bemängelt auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD) in ihrem Korruptionsbericht. Ein Kritikpunkt ist, dass es für Leute, die in ihrem Unternehmen oder der Verwaltung Korruption wittern, kaum möglich sei, ihre Informationen geschützt weiterzugeben: Hotlines oder Antikorruptionsstellen gebe es so gut wie nicht. Auch die Staatsanwaltschaften seien nicht ausreichend gewappnet. Korruptionsforscherin Bannenberg fordert deshalb, dass die Bundesländer dem Beispiel Schleswig-Holsteins folgen und Zentralstellen für Korruptionsbekämpfung einrichten. Erst ein bundesweites Netz biete den Ermittlern die Chance, die wahre Dimension der Mauscheleien aufzudecken. Schwierig ist das vor allem deshalb, weil es bei Korruptionsdelikten in der Regel kein Opfer gibt, das Anzeige erstatten könnte wie bei einem Diebstahl. Das Opfer ist der Steuerzahler – er erfährt das nur zu selten.

Peter von Blomberg von Transparency International plädiert aus diesem Grund für ein Gesetz, das bundesweit „Informationsfreiheit“ garantiert. Dann wären die Behörden jedem Bürger gegenüber grundsätzlich auskunftspflichtig. Korruption könne dadurch nicht mehr so gut vertuscht werden. Blombergs Forderung entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet in NRW gibt es ein solches Gesetz seit zwei Jahren.

Christian Staas

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