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Politik: Schneider zu Haftstrafe verurteilt, doch Weihnachten zu Hause

Haftbefehl aufgehoben / Gericht nennt den Fall eine Parabel auf die Gesellschaft: "Schein geht vor Sein" FRANKFURT (MAIN) (oe/AP).Der Immobilienunternehmer Jürgen Schneider ist am Dienstag vom Landgericht Frankfurt wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.

Haftbefehl aufgehoben / Gericht nennt den Fall eine Parabel auf die Gesellschaft: "Schein geht vor Sein" FRANKFURT (MAIN) (oe/AP).Der Immobilienunternehmer Jürgen Schneider ist am Dienstag vom Landgericht Frankfurt wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.Das Gericht hob nach der Verkündung den Haftbefehl auf, so daß Schneider das Weihnachtsfest zu Hause verbringen und womöglich auch die Haftstrafe als "Freigänger" absitzen kann.Nach Ansicht der Kammer unter ihrem Vorsitzenden Richter Heinrich Gehrke besteht keine Fluchtgefahr.Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Aufhebung des Haftbefehls Beschwerde ein, die jedoch keine aufschiebende Wirkung hat. Die Staatsanwaltschaft, die für Schneider eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten gefordert hatte, will erst nach einer Bedenkzeit über Rechtsmittel entscheiden.Gegen die Aufhebung des Haftbefehls legte sie Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt ein.Die Staatsanwaltschaft vermutet, daß Schneider immer noch bis zu 14,5 Millionen Mark auf geheimen Konten haben könnte.Der 63jährige Schneider nahm das Urteil des Gerichts nach kurzer Beratung mit seinen Verteidigern an. Der Vorsitzende Richter hatte in seiner Urteilsbegründung vor allem die Rolle der Banken kritisch unter die Lupe genommen, die mit einem "schier unglaublichen Leichtsinn" dem Königsteiner Immobilienkaufmann den großangelegten Betrug erleichtert hätten.Den Fall Schneider bezeichnete er als eine Parabel: Schneider habe "wie zuvor vielleicht nur der Hauptmann von Köpenick erkannt: In unserer Gesellschaft im allgemeinen und bei den Banken im besonderen geht Schein vor Sein".Das habe er gnadenlos ausgenutzt. Den Leichtsinn der Banken wertete die 29.Strafkammer als schuldmildernd.Dennoch sei das Verhalten Schneiders kriminell gewesen.Er sei zwar kein raffinierter Großbetrüger, sondern ein "durch und durch schlichter Mann".Aber er habe die Bauten, für die er sich mehr als fünf Milliarden Mark von den Banken geliehen hatte, nicht nur hergerichtet, um der Allgemeinheit einen Dienst zu erweisen."Er hat dies getan, um sein eigenes Ansehen und auch sein Vermögen zu mehren", betonte der Richter. Schneiders Immobilienkonzern war im April 1994 zusammengebrochen.Er selbst war mit seiner Frau und 245 Millionen Mark kurz zuvor untergetaucht.Im Mai 1995 wurde er in Florida gefaßt, im Februar 1996 nach Deutschland ausgeliefert.Auf das Strafmaß, das genau in der Mitte zwischen den Forderungen von Anklage und Verteidigung liegt, werden die Auslieferungs- und Untersuchungshaft von zweieinhalb Jahren angerechnet.

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