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Politik: Schneller Angriff – langsamer Sturz

Die US-Armee hat Pläne für einen Blitzkrieg gegen den Irak, aber noch keinen Nachfolger für den Diktator

Von Ulrike Scheffer

Für Saddam Hussein wird es eng. Die Spitzen der US-Streitkräfte spielen derzeit einen Plan für einen Blitzangriff auf Bagdad durch. Wenn es gelänge, die dort stationierten Eliteeinheiten des Diktators durch eine konzertierte Boden-Luft-Offensive auszuschalten, werde der Rest der irakischen Armee aufgeben, lautet das Kalkül der Stäbe. So berichtet es das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Quellen im Pentagon. Der Reiz der Strategie liegt auf der Hand: Der Krieg wäre in drei Monaten vorbereitet, so Militärexperten, schnell beendet, und nur 50 000 bis 80 000 Soldaten müssten ins Feld geschickt werden. Bisher hatten die Militärs eine Invasion mit 250 000 Soldaten propagiert – und damit gerechnet, dass gegen sie Massenvernichtungswaffen einsetzen werden.

Doch der Plan birgt auch Risiken. Das Verhalten der irakischen Armeeführung ist letztlich nicht berechenbar; durch einen schnellen militärischen Erfolg könnte zudem ein gefährliches Machtvakuum entstehen. „Die Amerikaner haben noch immer kein Konzept für die Zeit nach Saddam Hussein“, sagt Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Die Vorbereitungen an der politischen Front laufen nach Informationen des Experten zwar auf Hochtouren, eine Alternative zu Saddam sei aber nicht in Sicht. „Es ist Washington bisher nicht gelungen, die irakische Opposition zu einen. Innerhalb der US-Regierung gibt es außerdem Sympathien für unterschiedliche Gruppen.“

Im US-Außenministerium sollen am Donnerstag sechs irakische Oppositionsparteien zusammenkommen. Die wichtigsten unter ihnen sind der von Exil-Vertretern der schiitischen Minderheit dominierte „Oberste Rat der Islamischen Revolution im Irak“, zu dem das Außenministerium Kontakte unterhält, und der vom Pentagon favorisierte „Iraqi National Accord“, ein Zusammenschluss ehemaliger Mitglieder von Saddam Husseins Bath-Partei. Angesichts der Aufmarschpläne der USA sei der Anreiz für eine Verständigung zwar größer geworden, sagt Experte Schmidt, von einer wirklichen Annäherung der Gruppen könne aber keine Rede sein.

Die Zerstrittenheit der Opposition verschafft Saddam möglicherweise eine Gnadenfrist, denn ohne eine starke Zentralgewalt droht der Irak zu zerfallen. Die Kurden im Norden könnten ihre Unabhängigkeit erklären, die Schiiten im Süden den Anschluss an Iran suchen. Beides möchte Bush – auch mit Rücksicht auf die Türkei – vermeiden.

Nicht gelöst ist außerdem die Frage, was aus dem Diktator selbst werden soll, falls er den USA in die Hände fallen sollte. Es ist schwer vorstellbar, dass George W. Bush seinen Widersacher ins Exil ziehen lässt. Würde der Diktator getötet, hätten arabische Extremisten einen neuen Märtyrer. Bleibt also nur, ihm den Prozess zu machen. Ein geeigneter Ort dafür wäre der Internationale Strafgerichtshof, doch den erkennen die USA nicht an.+

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