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Schuldig. Der frühere Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber, hier nach der Urteilsverkündung neben seinem Anwalt Jan Olaf Leisner im Landgericht Augsburg, muss wegen Steuerhinterziehung für acht Jahre ins Gefängnis. Foto: dpa

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Schreiber-Prozess: Verräterisches Schweigen

Acht Jahre lang muss Karlheinz Schreiber hinter Gitter. Mit dem Urteil gegen den Rüstungslobbyist endet eine der größten deutschen politischen Affären.

Sein Pokerface bewahrt der Angeklagte bis zum bitteren Ende. Als Rudolf Weigell, der Vorsitzende Richter am Landgericht Augsburg, am Mittwoch kurz nach elf Uhr vormittags das Urteil gegen Karlheinz Schreiber und damit das vorläufige juristische Ende einer der größten politischen Affären der Bundesrepublik verkündet, lässt sich der Angeklagte keine Regung anmerken. Mit festem, keine Emotion verratendem Blick schaut er in die vierte Reihe des bis auf den letzten Platz gefüllten Zuschauerraumes im schlichten Schwurgerichtssaal. Dort sitzt seine Frau Barbara. Der starre Blick, den sie zurückwirft, wirkt hingegen schockiert und aufgewühlt. Acht Jahre lang muss ihr Mann nun ins Gefängnis, angesichts seines Alters von 76 Jahren kommt das zumindest statistisch gesehen einem Lebenslänglich gleich.

Als der Richter dann knapp 40 Minuten lang ausführt, wieso das Urteil so hoch – und härter als von vielen professionellen Prozessbeobachtern erwartet und nur knapp unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten neuneinhalb Jahren – ausgefallen ist, da zeigt Schreiber doch noch persönliche Regungen, wenngleich sie wie ein Ablenkungsmanöver wirken. Er lächelt, macht sich grinsend Notizen, und hin und wieder wirft er seiner Frau einen symbolischen Kuss durch den Saal zu. Wie während des gesamten Prozesses spricht Schreiber auch an diesem Tag bis auf ein paar Begrüßungsfloskeln kein Wort. Aber sein Gesicht zeigt deutlich, wie wenig er von der Begründung des Urteils hält.

Aus Sicht des Gerichts hingegen gibt es „nicht den geringsten Zweifel“, dass Schreiber in sechs besonders schweren Fällen zwischen 1988 und 1993 Steuern in Höhe von rund 7,5 Millionen Euro hinterzogen hat. Das hätten Schweizer Bankunterlagen und andere Dokumente belegt, die Steuerfahnder und Staatsanwaltschaft in einer vor 15 Jahren begonnenen, mühevollen Recherche zusammengetragen haben.

Die beiden Männer, die ein Großteil dieser Arbeit geleistet haben, sitzen mitten im Zuschauerraum: der frühere Staatsanwalt Winfried Maier und der Steuerfahnder Winfried Kindler. Ob er Genugtuung empfinde, war Kindler am Morgen vor dem Saal gefragt worden. „Nein“, hatte er geantwortet. Man empfinde an so einem Tag eher Mitgefühl mit dem Menschen, der da verurteilt werde. Ähnlich äußerte sich hinterher auch der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz, der hartnäckig auf Schreibers Auslieferung aus Kanada bestanden hatte, die im vergangenen Jahr nach einem zehnjährigen juristischen Tauziehen endlich zustande kam: Er sei „zufrieden“ mit dem Urteil. „Aber es ist nicht meine Art, auf Leuten, die am Boden liegen, noch herumzutreten.“

In der Urteilsbegründung zeichnete Richter Weigell ein weniger mitfühlendes Bild des einstigen Thyssen-Lobbyisten und millionenschweren Parteispenders, der seine Provisionszahlungen in Höhe von rund 33 Millionen Euro für die Einfädelung von Flugzeug- und Panzergeschäften mit Kanada, Saudi-Arabien und anderen Ländern nicht versteuert, sondern auf ausländischen Tarnkonten geparkt hatte. Gierig, skrupellos, nur auf seinen Vorteil bedacht habe Schreiber agiert. Verweise auf andere angeblich Begünstige seiner Millioneneinnahmen seien „Schutzbehauptungen“. Das sei durch Barabhebungen Schreibers und seiner Frau von den unter fingierten Firmennamen geführten Auslandskonten in teilweise zweistelliger Millionenhöhe bewiesen – Geld, das zu kleinen Teilen an hochrangige Vertreter von Regierung und Parteien wie den einstigen Staatssekretär Holger Pfahls oder den CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep floss, was vor gut zehn Jahren die CDU- Spendenaffäre auslöste.

Besonders verärgert hatte den Richter offenbar Schreibers schweigsames Verhalten im Prozess. Dass der Angeklagte auch bei sehr belastenden Aussagen und Dokumenten stets schwieg, habe „offensichtlich gute Gründe“ gehabt, sagte der Richter. Auch hielt er Schreiber sein „Versteckspiel“ vor, mit dem er versucht habe, seine deutsche und seine kanadische Steuerschuld gegeneinander aufzurechnen.

Weigell warf Schreiber vor, seine vollmundigen Ankündigungen politischer Enthüllungen durch kein Wort belegt zu haben und die haltlosen Beschuldigungen gegen andere als bloße Ablenkungsmanöver eingesetzt zu haben. Das heiße allerdings nicht, dass nicht wirklich Regierungsvertreter wie eben Pfahls von Schreiber bestochen worden seien. Dieser Vorwurf sei aber seit 2007 verjährt und habe deswegen im Prozess keine tragende Rolle mehr gespielt. Dass es dazu kommen konnte, sei allerdings wiederum Schreiber zuzuschreiben: Der habe seine Auslieferung aus Kanada vorsätzlich so lange hinausgezögert, bis zumindest ein Teil der Anklagepunkte nicht mehr strafbar sei. Deswegen werden Schreiber die fünf Monate Auslieferungshaft in Kanada auch nicht auf die acht Jahre angerechnet, die er jetzt noch in Deutschland zu sitzen hat.

Mildernde Umstände für Schreiber konnte der Richter nur wenige finden: dass er nicht vorbestraft sei, das hohe Alter des Angeklagten. Aber das sei angesichts des hohen Schadens, des fehlenden Aufklärungswillens und der von Schreiber praktizierten Verschleierung „zu wenig, um eine mildere Strafe zu rechtfertigen“. Als Schreiber aus dem Saal geleitet wird, winkt er den Zuschauern, wirft seiner Frau einen letzten Luftkuss zu und streckt den Daumen in die Luft, eine Art Siegerpose. Seine Verteidiger erwarten, dass er das Urteil vor dem Bundesgerichtshof anfechten und Revision beantragen will.

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