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Politik: Schrille Töne

Ankaras Staatsanwaltschaft wirft dem türkischen Rockstar Levent vor, die PKK unterstützt zu haben

Als die Lichter angingen, griff die Polizei zu. Haluk Levent, einer der bekanntesten Rockstars der Türkei, hatte am Sonntagabend in Ankara gerade ein Konzert beendet, als er festgenommen wurde. Mit einem Auftritt bei einem Festival in Gelsenkirchen letzte Woche soll Levent die PKK unterstützt haben. Nun muss sich Levent wie zwei ebenfalls festgenommene Kurdenpolitiker vor der Staatsanwaltschaft verantworten. Der Fall zeigt, wie resistent die türkische Justiz gegen den Geist der Europa-Reformen ist.

Levent (34) gehört seit gut einem Jahrzehnt zur Crème de la Crème der türkischen Rockszene und ist für sein soziales Engagement bekannt. Auch das Konzert in Ankara, bei dem er festgenommen wurde, diente einem guten Zweck: der Eröffnung eines Stadtparks. Bei dem angeblichen PKK-Auftritt in Gelsenkirchen sei er von den Veranstaltern hereingelegt worden, erklärte Levent.

Das von der Förderation kurdischer Vereine in Deutschland (Yek-Kom) ausgerichtete Festival vom 13. September stand unter dem Motto: „Für einen demokratischen Mittleren Osten und ein freies Kurdistan“. Aus der Türkei waren neben Levent auch der Chef der Kurdenpartei Dehap, Tuncer Bakirhan, sowie der Vorsitzende der kleineren Kurdenpartei für eine freie Gesellschaft, Ahmet Turan Demir, angereist. In den Reihen der Zuschauer waren Plakate mit dem Porträt des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan zu sehen. Deutsche Verfassungsschützer stufen Yek-Kom als PKK-nahe Vereinigung ein.

Die Staatsanwaltschaft an dem für schwere politische Straftaten zuständigen Staatssicherheitsgericht in Ankara wirft Levent, Bakirhan, Demir und zwölf anderen Personen deshalb vor, sie hätten in Gelsenkirchen eine terroristische Vereinigung unterstützt. Die stellvertretende Yek-Kom-Vorsitzende Ayten Kaplan weist dies als „lächerlich“ zurück. Das Verhalten der türkischen Justiz zeige, dass die EU-Reformen in der Türkei noch nicht umgesetzt würden, sagte sie am Montag.

Die Justiz ist eine jener Institutionen in der Türkei, die sich gegen die europapolitische Öffnung und die damit verbundene Stärkung individueller Freiheitsrechte wehren. Das türkische Parlament hatte erst kürzlich die Meinungsfreiheit gestärkt, um die EU-Chancen des Landes zu verbessern – der Fall des angeblichen PKK-Konzerts von Gelsenkirchen wirft ein Schlaglicht auf die Probleme der türkischen Regierung bei der Umsetzung europapolitischer Reformen.

Diese Probleme müssen auch nach Ansicht des CDU-Politikers Volker Rühe rasch überwunden werden, wenn die Türkei die Chancen ihrer EU-Bewerbung verbessern will. „Die EU-Kommission prüft die Realität im Land und nicht nur die Gesetzestexte“, sagte Rühe während einer Reise durch den türkischen Südosten dem Tagesspiegel. Gleichzeitig rief Rühe die Kurden in der Türkei auf, sich vom bewaffneten Kampf abzuwenden und die türkischen EU-Reformen zu unterstützen. „Eine europafreundliche Türkei wird auch eine kurdenfreundliche Türkei sein“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Die bisherigen Reformen in Ankara seien erst durch den Druck der EU zustande gekommen. Nur diese Entwicklung könne den Kurden mehr Spielraum verschaffen.

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