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Politik: Schröder gegen Fischer - doch am Ende haben die Koalitionäre den Streit um den Rüstungsexport beigelegt

Sie haben sich angebrüllt, der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler. Nein, die Koalitionsfrage hat keiner aufgeworfen, da sind sich die Ohrenzeugen einig.

Von Robert Birnbaum

Sie haben sich angebrüllt, der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler. Nein, die Koalitionsfrage hat keiner aufgeworfen, da sind sich die Ohrenzeugen einig. Dass über dem Streit um das Panzergeschäft mit der Türkei die rot-grüne Koalition zerbrechen könnte, hat vorher als Gefahr im Raum gestanden. Als sehr konkrete Gefahr sogar, sagen Leute, die es wissen müssen. Die nächtliche Koalitionsrunde am Montagabend im provisorischen Kanzleramt war nur noch ein Nachbeben. Aber eben ein Beben!

Gerhard Schröder hat angefangen: Was den Grünen einfalle, einen solchen Zinnober zu veranstalten wegen eines Test-Panzers für die Türkei! Alles schon längst beschlossen, alles auf dem Weg, da werde nichts zurückgenommen. Basta! Schröder machte auf Teilnehmer der Runde von vornherein den Eindruck, dass ihm die Panzer-Geschichte auf die Nerven ging.

Den Grünen aber ging sie das nicht minder. Besonders Joschka Fischer ging sie sehr auf die Nerven. Seit Tagen musste er in Zeitungen Geschichten lesen, die ganz offenkundig aus der SPD gestreut waren und in denen die Rolle des Außenministers in ein ungünstiges Licht gerückt wurde: Fischer, so der Tenor, habe es zumindest grob fahrlässig zugelassen, dass der absehbare Konflikt zwischen den Koalitionsparteien nicht im Vorfeld entschärft worden sei.

Derlei Darstellungen im Hinterkopf, polterte auch Fischer los: Nicht sehr hilfreich sei das, wie die andere Seite vorgehe. Das trage nur zur Verunsicherung bei - und die sei ohnehin groß genug. Dann zählte der Außenminister ein paar von den Kröten auf, die der kleine Koalitionspartner in den vergangenen Monaten klaglos geschluckt hat: Allerlei Teile des Sparpakets, aber auch den Krieg im Kosovo. Vor einem Jahr hätte er selbst nicht geglaubt, dass eine rot-grüne Koalition so etwas überleben könne. Und jetzt diese Panzer-Sache!

Nach diesem beiderseitigen Zornesausbruch wurde der Ton ruhiger. Fischer beschwor den Zwang zu vernünftigen Lösungen. Jürgen Trittin, der Umweltminister, wies darauf hin, dass es für SPD wie Grüne ja so etwas wie gemeinsame Werte und Moralvorstellungen gebe. Die könne man nicht einfach vom Tisch fegen.

Auf dem Tisch lag zu diesem Zeitpunkt ein Papier, das die SPD-Seite mitgebracht hatte. Den Grünen reichte der Entwurf nicht aus. Schröders Hinweis, im Koalitionsvertrag sei das Stichwort "Menschenrechte" ausdrücklich nur im Zusammenhang mit Waffenlieferungen in Nicht-Nato-Länder genannt, parierte Fischer mit der Frage, ob nicht allseits Einigkeit bestehe, dass die Türkei ein Sonderfall sei. Das mochte auch der Kanzler nicht bestreiten.

So fand man kurz vor Mitternacht zueinander - auch wenn die Grünen vorher 20 Minuten Auszeit nehmen mußten, um das Kommuniqué noch einmal zu überarbeiten. Dann ging es rasch, und die Fraktionsspitzen Peter Struck (SPD) und Kerstin Müller (Grüne) konnten das Ergebnis verkünden: Die Türkei kriegt einen Leopard-II zum Testen. Gefällt der Panzer den Militärs so gut, dass sie 2001 die Lizenz für 1000 Exemplare kaufen wollen, wird neu entschieden - unter Berücksichtigung der Frage, ob es "tatsächliche und überprüfbare" Fortschritte in Sachen Menschenrechte gibt.

Eine Arbeitsgruppe verschärft bis dahin die Rüstungsexport-Richtlinien. Und die Grünen dürfen weiter zu Protokoll geben, dass sie es völlig falsch finden, der Türkei auch nur einen Test-Panzer zu schicken. Der "schwere Dissens" zwischen den Regierungsparteien, sagt Müller, bestehe fort.

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