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Politik: „Schröder ist nicht Deutschland“

Richard Perle, Berater der US-Regierung, über das deutsch-amerikanische Verhältnis, die Unruhen in Iran und die Zukunft des Irak

Iran ist ein Land, das Massenvernichtungswaffen besitzt, die Menschenrechte missachtet und Terrorismus unterstützt – ein idealer Kandidat also für den nächsten Regimewechsel im Mittleren Osten. Was wollen die USA dazu beitragen?

Hier müssen Europa und die USA zusammenarbeiten. Wie in Spanien nach Franco oder in Serbien nach Milosevic – der beste Weg wäre, das diktatorische Regime in Iran mithilfe der Opposition im Lande abzulösen. Auch Deutschland hat damit 1989 eindrucksvolle Erfahrungen gesammelt. In Iran besteht eine gute Chance für einen friedlichen Regimewechsel.

Also keine militärischen Aktionen?

Ich glaube nicht, dass irgendjemand im Augenblick an eine Militäraktion gegen Iran oder auch gegen Syrien denkt. Wir haben keinen militärischen Masterplan für den Mittleren Osten. Wir benutzen militärische Gewalt nur, wenn alle friedlichen Mittel erschöpft sind. Das war im Irak der Fall.

Im Irak versuchen schiitische Mullahs, einen zweiten Gottesstaat errichten.

Ich glaube nicht, dass das gelingt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen. Niemand wird seine Freiheit freiwillig einer kleinen Clique von Mullahs opfern. Die Iraker haben die Nase voll von Diktaturen.

Wie geht es weiter im Irak?

Der Westen muss die politische Ausgangsbasis dafür schaffen, dass sich der Irak eine neue Verfassung geben kann. Diese Verfassung jedoch darf nicht einer neuen Diktatur den Weg bereiten.

Die Verfassung muss also einen Mindeststandard von Grundrechten garantieren?

Absolut. Und wir sollten uns dafür nicht entschuldigen. Eine solche Verfassung, die westliche Freiheitswerte verankert, ist im besten Interesse des irakischen Volkes. Natürlich wird es Kritik geben, dass wir unsere Werte von Freiheit und Demokratie anderen aufzwingen. Aber das stört mich nicht.

Vizepräsident Dick Cheney hat vor einigen Tagen wiederholt, er sei hundertprozentig sicher, dass im Irak Massenvernichtungswaffen gefunden werden. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ja. Die Waffen sind sehr gut versteckt. Um sie zu finden, brauchen wir spezifische Informationen von Leuten, die diese Waffenprogramme organisiert haben. Wir müssen ein öffentliches Klima schaffen, damit diese Leute den Mut finden, ihr Wissen preiszugeben.

Wie schädlich war es für das Ansehen der amerikanischen Außenpolitik, dass man der Weltöffentlichkeit und den Vereinten Nationen als Beleg für die irakischen Waffenprogramme gefälschte Beweise vorgelegt hat?

Diese Vorgänge sind unangenehm für alle, die diese Politik der Militärintervention unterstützt haben. Allerdings hatten wir es im Irak nicht mit einer offenen Gesellschaft zu tun. Wir mussten uns also auf Geheimdienstinformationen verlassen. Wir haben kleinere Fehler gemacht, aber nicht versucht, die Öffentlichkeit bewusst zu täuschen. Wir waren überzeugt, dass unsere Beweise stichhaltig waren. Niemand zweifelt daran, dass Saddam Hussein, wäre er an der Macht geblieben, auch weiterhin versucht hätte, Massenvernichtungswaffen zu beschaffen und seine Waffenprogramme weiterzuführen.

Als Ergebnis des IrakKrieges glauben 95 Prozent der europäischen Bevölkerung, vor allem die jungen Leute, Präsident Bush sei ein Imperialist und eine Gefahr für den Weltfrieden.

Ich bezweifle, dass die Ziffer von 95 Prozent korrekt ist. Wenn dies so wäre, müssten wir uns damit auseinander setzen, dass wir fundamental missverstanden werden. Der 11. September war für uns eine tiefe Zäsur. Wir wissen, dass es Terroristen gibt, die Massenvernichtungswaffen einsetzen würden, wenn sie diese beschaffen könnten. Dagegen müssen wir uns verteidigen, wie alle anderen Nationen auch. Wenn der 11. September in Deutschland passiert wäre, würde die deutsche Regierung auch alles tun, um ihre eigene Bevölkerung zu schützen. Und zwar mit vollem Recht.

Wozu brauchen die USA noch Deutschland?

Unter den 190 Staaten der Erde gibt es nur eine Hand voll liberale Demokratien. Die tun gut daran, zusammenzustehen – zu ihrer eigenen Sicherheit und um ihrer Werte willen.

Diesen Eindruck hatte man in den letzten Monaten nicht.

Als die Demokratien getestet wurden, hat sich Deutschland entschieden, sich von den amerikanischen Sorgen abzukoppeln. Niemand hat Bundeskanzler Schröder gebeten, deutsche Truppen in den Irak zu schicken. Trotzdem hielt er es für richtig, Anti-Kriegs-Gefühle der Bevölkerung zu nutzen, um seine Wahlchancen zu erhöhen. Ich glaube allerdings nicht, dass dadurch die fundamentale Zusammenarbeit zwischen den Demokratien beschädigt wurde.

Hat Deutschland seine eigene Geschichte vergessen?

Nicht Deutschland, sondern Bundeskanzler Schröder. Er hat während des Wahlkampfs im letzten Herbst eine sehr kurzsichtige Haltung eingenommen und wiederholt diesen Standpunkt bis heute. Angela Merkel denkt ganz anders. Es gibt also keinen einheitlichen deutschen Standpunkt, genauso wenig, wie es einen einheitlichen europäischen Standpunkt gibt. Die jungen Demokratien Europas – Polen, Tschechen, Ungarn oder Balten – haben noch eine sehr frische Erinnerung daran, wie schwierig es war, die Demokratie zu erkämpfen. Sie würden sich nicht so leichtfertig hinreißen lassen zu einer solch pubertären Attacke auf eine Nation, die die Führungsmacht der westlichen Welt ist.

Das Gespräch führten Robert von Rimscha und Martin Gehlen.

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