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Politik: Schröder steht in Visa-Affäre zu Fischer

Außenminister übernimmt „politische Verantwortung für mögliche Fehler von Mitarbeitern“

Von Robert Birnbaum

Berlin - Nach wochenlangem Schweigen hat sich Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) grundsätzlich zu einer „Ministerverantwortung“ in der Visa-Affäre bekannt. „Für mögliche Versäumnisse und Fehler meiner Mitarbeiter trage ich die politische Verantwortung“, sagte Fischer am Montag vor einer Sitzung des Grünen-Parteirats in Berlin. Er wies zugleich Vorwürfe zurück, dass die Politik seines Hauses den massenweisen Missbrauch des Visaverfahrens an der deutschen Botschaft in Kiew ermöglicht habe. Während sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die Grünen hinter Fischer stellten, legten ihm CDU/CSU und FDP den Rücktritt nahe.

Fischer nannte es in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme zu den Vorgängen „schlicht nicht zulässig“, den so genannten Volmer-Erlass für die praktisch unkontrollierte Einreise zehntausender Ukrainer nach Deutschland in den Jahren 2000 bis 2002 verantwortlich zu machen. „Im Wesentlichen“ seien die fraglichen Verfahren schon von der Vorgängerregierung eingeführt worden. Der Union hielt Fischer eine rein „machtpolitische Auseinandersetzung“ vor. Schröder sagte, wenn die Opposition glaube, „den Außenminister kippen zu können, dann irrt sie gewaltig“. Fischer habe sein volles Vertrauen. Auch Grünen-Chefin Claudia Roth betonte, die Koalition lasse sich „nicht auseinander dividieren“. Roth verteidigte den von Fischer seinerzeit abgezeichneten Erlass des früheren Staatsministers im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer. Mit dem Erlass war das Prinzip „Im Zweifel für die Reisefreiheit“ verfügt worden. Dies sei und bleibe im Sinne einer weltoffenen Politik richtig, sagte Roth. Volmer hatte am Wochenende sein Amt als außenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion niedergelegt, sein Nachfolger in dieser Funktion soll nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters Fritz Kuhn werden.

Die Opposition warf Fischer vor, er versuche den Umfang der eigenen Verantwortung zu vertuschen. „Er spricht von politischer Verantwortung, übernimmt sie aber nicht, sondern wälzt die Verantwortung auf seine Mitarbeiter ab“, sagte CDU-Chefin Angela Merkel. Sie erinnerte an frühere Fälle, in denen Minister aus viel geringeren Anlässen ihr Amt zur Verfügung gestellt hätten, behielt sich aber eine ausdrückliche Rücktrittsforderung in Abhängigkeit von den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses vor. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber und FDP-Chef Guido Westerwelle nannten den Ruf nach einem Rücktritt verfrüht.

Merkel fragte zugleich nach einer Mitverantwortung Schröders. Wenn Berichte zuträfen, dass es über die Visapraxis im Kabinett Streit zwischen Fischer und Innenminister Otto Schily gegeben habe, müsse die Frage gestellt werden, warum Schröder nicht eingegriffen habe.

Der Obmann der Union im Visa-Untersuchungsausschuss, Eckart von Klaeden (CDU), unterstellte Fischer, die Öffentlichkeit über seine eigene Verwicklung in die Affäre bewusst zu täuschen. Wenn Fischer behaupte, er habe sich erst in jüngster Zeit „intensiv“ mit den Vorgängen in der Ukraine beschäftigt, dann sei das „nach meiner Lebenserfahrung und meiner forensischen Erfahrung glatt gelogen“. Fischer sei nicht „Täter durch Unterlassung“ gewesen, sondern „Täter durch Handeln“. Vor den Ausschuss laden wolle die Union den Minister erst, wenn ihm dort durch Zeugen und Dokumente untermauerte „Beweise im Sinne der Strafprozessordnung“ vorgehalten werden könnten. Dies könne gegen Jahresende möglich sein. Der Ausschuss nimmt am Donnerstag mit der Anhörung von Sachverständigen seine Arbeit auf.

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