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Politik: Schröder will trotz europäischer Krise den Berliner EU-Gipfel zum Erfolg führen

BRÜSSEL/BERLIN (Tsp).Der Rücktritt aller EU-Kommissare hat die Europäische Union in eine schwere Krise gestürzt.

BRÜSSEL/BERLIN (Tsp).Der Rücktritt aller EU-Kommissare hat die Europäische Union in eine schwere Krise gestürzt.Die Kommission unter Vorsitz von Jacques Santer zog die Konsequenz aus einem Expertenbericht, in dem ihr politisches Versagen bei der Bekämpfung von Vetternwirtschaft und Korruptionsskandalen vorgeworfen wird.Bundeskanzler Schröder forderte die Kommission auf, ihre Arbeit fortzusetzen, damit das Reformpaket "Agenda 2000" wie geplant in der kommenden Woche bei einem EU-Sondergipfel in Berlin verabschiedet werden kann.

Schröder sagte, der Gipfel in Berlin am 24.und 25.März müsse "mehr denn je ein Erfolg werden".Der Kanzler, der am Dienstag mit Santer zusammentraf, bezweifelte, daß dann auch bereits über Personalfragen geredet werde.Santer sagte, er sei ganz sicher nicht zu einer erneuten Kandidatur bereit.Er wies die Vorwürfe des "Rates der Weisen" in scharfen Worten zurück.Er sei schockiert über den "völlig unausgewogenen Bericht".Santer und die 19 Kommissare führen die Amtsgeschäfte vorläufig weiter.

Schröder, amtierender Ratspräsident, kündigte an, bei seiner Reise durch die EU-Hauptstädte in dieser Woche nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.Der britische Regierungschef Blair, der am nächsten Dienstag mit Schröder zusammentreffen wird, forderte, die EU-Spitze mit einem "grundlegenden Reformer" zu besetzen.Blair sagte: "Lassen Sie uns diese Chance für eine Reform an Haupt und Gliedern nutzen".Er forderte Santer auf, "so schnell wie möglich zu gehen".

Die Sachverständigen, fünf Juristen und Rechnungsprüfer, waren bei ihrer Untersuchung zu dem Schluß gekommen, die Kommission habe die Kontrolle über Verwaltung und Finanzen verloren.Schwere Vorwürfe wurden vor allem der französischen Forschungskommissarin Edith Cresson gemacht.Ihr wurde vorgehalten, nicht konsequent gegen Betrügereien vorgegangen zu sein.Die für Strukturförderung zuständige deutsche Kommissarin Monika Wulf-Mathies wie auch der portugiesische Entwicklungskommissar Joao de Deus Pinheiro wurden vergleichsweise milde gerügt, weil sie bei der Einstellung von Freunden und Bekannten das Einstellungsverfahren mißachtet hätten.

Im Europaparlament wurde der Rücktritt von Abgeordneten aller Fraktionen begrüßt.Parlamentspräsident Jose Maria Gil-Robles forderte, bis zum Mai eine neue Kommission einzusetzen.Der SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Klaus Hänsch, sprach sich dafür aus, daß nach dem Rücktritt der EU-Kommission entstandene Vakuum möglichst schnell zu füllen.Der EU-Vertrag regele die Nachfolge-Frage im Fall des Rücktritts der gesamten Kommission allerdings nicht eindeutig.In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagte Hänsch, auch künftig solle die EU-Kommission am Kollegialitäts-Prinzip festhalten.Die Entlassung einzelner Minister durch das Parlament widerspreche auch der politischen Praxis in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten.

Indessen wurde der Rücktritt von den meisten EU-Mitgliedsstaaten begrüßt.Tenor in den meisten Hauptstädten: Aus dieser heilsamen Krise müsse eine neue, gestärkte Kommission hervorgehen.

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